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Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fine
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klang schwach und weit entfernt. »Das ist der Schock«, dachte ich verzweifelt. Jetzt bloß nicht ohnmächtig werden. Noch nicht.
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte Eva und drückte mir die Hand. »Inzwischen wird man ihn wegen der Schießerei im Hotel verhaftet haben. Der geht nirgends mehr hin.« Als ich nichts erwiderte, merkte sie, daß etwas nicht in Ordnung war, und wollte wissen, ob ich mich beim Aufbrechen der Tür verletzt hätte. Ich gab keine Antwort, streckte nur die Hand aus, um mir aus dem Wagen helfen zu lassen, und ging auf dem Weg zum Haus seitlich ein paar Schritte hinter ihr. Doch kaum waren wir eingetreten, bestand sie darauf, mich zum Sofa zu führen, damit ich mich ausruhen konnte, und als sie mir einen stützenden Arm um die Taille legte, spürte sie die Feuchtigkeit des aus der Wunde geflossenen Vegeplasmas.
    »Candy, du bist getroffen!« Dann richtete sie den Blick auf ihre Hand. Einen endlos scheinenden Moment starrte sie auf die zähe weiße Flüssigkeit an ihren Fingern und mühte sich zu begreifen. Als sie endlich verstand, war es für mich der schrecklichste Augenblick meines Lebens. »Saft. Das ist Pflanzensaft.«
    »Es tut mir so leid«, sagte ich und sank auf die Couch. Binnen kurzem waren die Kissen durchtränkt und klebten an der Haut.
    Sie betrachtete mich aus weit aufgerissenen Augen. »O Candy, nein«, wisperte sie. »Nein. Nein. Nein.«
    »Ich hätte es dir längst sagen sollen.«
    »Ist es wahr? Du bist ein Dro … Dro … Dro …?«
    »Ein P9, um genau zu sein.« Und dann hoffnungsvoll, eindringlich: »Kommt es wirklich darauf an?« Ich wollte aufstehen, mich in ihre Arme werfen und sagen, daß wir immer noch zum Mars fliegen konnten, ein Liebespaar sein, uns an dem Erreichten freuen, und das sogar leichteren Herzens, denn jetzt lastete kein Geheimnis mehr auf unserer Beziehung, doch meine Beine gaben nach, und ich fiel flach aufs Gesicht. Zu meinem großen Kummer bemerkte ich, daß sie mir nicht zur Hilfe kam, sondern wie angewurzelt stehenblieb und vor sich hin murmelte: »Saft, Saft, Saft«, als wäre sie im Begriff, in Trance zu fallen. Dann rief sie plötzlich nach Annette.
    »Ja, gnädige Frau?« zwitscherte die Einheit und trat ins Zimmer, ohne sich des Dramas vor ihren Augen bewußt zu werden.
    »Ein Handtuch. Schnell.«
    Für mich, dachte ich, um die Blutung zu stillen. Oh, liebe Eva. Auf mein Wohlbefinden bedachte, liebevolle, süße Eva! Doch als Annette zurückkam, benutzte Eva das Tuch, um sich die Hände abzuwischen.
    »Saft. Saft. O mein Gott, das Zeug geht nicht ab!«
    Ihre Stimme verklang, als sie sich entfernte und mich allein im Wohnzimmer zurückließ, bäuchlings auf dem Teppich liegend. Hatte sie vor, mich verbluten zu lassen? Doch mir geschah ganz recht! Ich hätte ihr von Anfang an die Wahrheit sagen sollen, ihre Zurückweisung damals wäre ungleich leichter zu ertragen gewesen, als was ich jetzt durchmachen mußte! Ach, Eva hatte ganz recht gehabt, als sie kurz nach unserer Ankunft in Malibu auf der Strandpromenade ihr Schicksal bejammerte: Ein falscher Schritt, und was immer man im Leben erreicht hat
    – Freiheit, Reichtum, Glück –, ist dahin, denn wir befinden uns in der Hand eines gleichgültigen Universums, unsere Erfolge sind hohle Siege, unsere Fehler die Summe unseres Charakters, und meiner war der minderwertigste von allen. Was um alles in der Welt hatte ich die zurückliegenden Jahre hindurch getan? Eine Rolle gespielt, vorgetäuscht, ein Mensch zu sein. Eine auf falschen Tatsachen aufgebaute, künstliche Existenz, an der nichts echt war. Auch nicht meine Liebe? Hatte die Lüge meines Lebens auch auf diese Fähigkeit abgefärbt? Welche Eitelkeit und Überhebung zu glauben, ich hätte das Leben gemeistert. Diese Welt war eine viel zu undurchschaubare und komplizierte Angelegenheit. Ich sehnte mich nach der Einfachheit und Sicherheit meines früheren, unbewußten Daseins oder wenigstens – als armseliger Ersatz
    – nach der vollständigen Annihilierung dieser Existenz. Also schloß ich die Augen, hörte auf, gegen die schwarzen Wogen der Ohnmacht anzukämpfen, und glitt in eine tiefe Stasis, aus der ich niemals wieder zu erwachen hoffte – ganz sicher auch Evas sehnlichster Wunsch. Doch so leicht sollte ich nicht davonkommen.
     

BUCH ZWEI
     
    Meine lunaren Eskapaden
    2077-82
     

Kapitel eins
    »Action!« schrie jemand, und ich erwachte zur Existenz einer Sekretärin in einem die Erde umkreisenden Büroorbiter. Alles erschien mir so

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