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Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fine
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lebensecht, daß ich nicht daran zweifelte, wach zu sein; die programmierte Aufgabe, Kommunospulen abzulegen, ging mir so leicht und vertraut von der Hand, daß ich nicht glauben konnte, je etwas anderes getan zu haben. Dennoch ließ sich das beunruhigende Gefühl nicht abschütteln, daß ich einst auf der Erde ein anderes Leben geführt hatte und in Malibu durch einen Schuß getötet worden war.
    Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr Einzelheiten fielen mir ein: Spuren einer entschwundenen Vergangenheit als Dienstmädchen, Kindermädchen und Nonne, im Anschluß daran Mutter, Flüchtling und schließlich Hure. Ob nun jeweils ein Leben für sich oder Phasen einer einzigen Existenz, stellten mich diese Episoden vor ein nicht weniger großes Rätsel als der darin dokumentierte Aufstieg aus der Sklaverei zur Freiheit: Denn mir war so, als hätte ich zuletzt tatsächlich Reichtum, Freiheit und Glück mein eigen genannt, eigentlich die Vorrechte der Gebieterklasse. Welch ein kurioser und verführerischer Traum, Mensch zu werden; welch eine ausgefallene, unverschämte, närrische und ganz und gar unsinnige Vision für einen P9 und, nach dem unglücklichen Ende zu urteilen, welch ein Alptraum! Oder bedeuteten diese Erinnerungen, die innerhalb weniger Sekunden an mir vorübergezogen waren, während ich nach der nächsten Kommunospule griff, nichts weiter als einen vorübergehenden Defekt? Waren sie nicht vielleicht das Ergebnis einer Synapsenberührung im Gehirn, ein Aufflackern verworrener Assoziationen, denen mein Verstand Leben, Form und Bedeutung verliehen hatte? Stellte das ganze Drama mit all den handelnden Personen, Schauplätzen und Situationen sowie meinen ureigensten Gedanken und Gefühlen nichts anderes dar als eine zufällige Ausgeburt der Phantasie – ein Vexierbild, das geistergleich die Neurotransmitter entlanghuschte, um sich gleich wieder aufzulösen? Wenn ja, was konnte ich dann überhaupt noch glauben? Existierte vielleicht dieser gesamte Bürokomplex, der mir durchaus real erschien, auch nur in meiner Vorstellung? Würde ich beim nächsten Erwachen feststellen, daß Jahre vergangen waren, und mich an meine augenblickliche Existenz als ebenso kurze und trügerische Sequenz zurückerinnern? Konnte so etwas möglich sein? War das Gefühl der Kommunospule in meiner Hand und die Art, wie sie in ihr Magnetfach einrastete, eine Sinnestäuschung? Apropos Sinne, hatte ich etwas Ähnliches nicht auch an dem Tag erlebt, als ich im Haus der Lockes zu denselben kam? Ja. Nein. Moment. Nein. Ich war schon immer Sekretärin gewesen. Alle davon abweichenden Daten waren unkorrekt, müßige Gedankenspielereien – kein Wunder, es gab hier wirklich nicht viel zu tun. Aber die Bilder waren so lebendig gewesen. So real. Doch es konnte sich nur um Tagträume handeln; ich bin schon immer in diesem Büro gewesen. Wie lange? Immer seit – wann? Ich weiß es nicht genau. Ich? Wer ist ich? Woher kommt dieses Ich? Und wo geht es hin? Nirgends. Es gehört hierher. Wo ist hier? Das weißt du doch, Dummchen. Orbiter Sieben.
    Durch das große Panoramafenster in der gegenüberliegenden Wand warf ich einen Blick auf die Erde und schaute anschließend nach rechts, um durch ein weiteres Fenster das Büromodul neben unserem nach Rissen und Sprüngen abzusuchen, nicht im Material, sondern in der übergeordneten Realität, die ich – wie die Erde und alles übrige, mich selbst eingeschlossen – plötzlich in Frage stellte, unter dem Einfluß einer neuen und beklemmenden Vorahnung.
    Das Modul war fünf Stockwerke hoch und hing wie viele hundert andere an einer der zwölf Speichern der sternenförmigen Anlage Orbiter Sieben. Durch das Panoramafenster war ein Teil davon zu sehen. In der Ferne konnte man weitere, ähnlich konstruierte Stationen erkennen, zwischen denen ein reger Verkehr von Fähren und Sternengleitern herrschte, denn hier befand man sich genau im Herzen des interplanetaren Geschäftszentrums. Es war eine Erleichterung, alles am rechten Ort vorzufinden und bei einem Blick auf meine unmittelbare Umgebung festzustellen, daß auch mit den inneren Büros alles seine Ordnung hatte. Ohne nachdenken zu müssen, wußte ich Namen, Position und firmeninternen Rang eines jeden Angestellten und daß Mr. Bagley in dem Büro hinter meinem Arbeitsplatz der Gebieter war, für den ich die Ablage erledigte. Mir war außerdem bekannt, daß einer seiner Teilhaber, der Chef der Buchhaltung, kürzlich unter verdächtigen Umständen in den

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