Mein Leben als Androidin
hatte etwas ganz, ganz Besonderes, dieser Lance, wie das Studio ihn nannte, etwas Geheimnisvolles, und damit meine ich nicht seine Ansichten – Sie wissen, was ich davon hielt –, sondern eine gewisse Ausstrahlung, die ich nicht zu definieren wußte: die Ahnung, daß es wahrhaftig eine Verbindung zwischen uns gab, aus der Zeit vor meiner Ankunft in den Studios. Auch ich fieberte unseren Treffen zwischen den Auftritten entgegen und gab sogar den Gedanken an Flucht vorläufig auf, wenn ich auch dem Vorsatz treu blieb, mir einen möglichst genauen Eindruck von den Gegebenheiten der Stadt zu verschaffen, wann immer in Armstrong gedreht wurde, in Erwartung des Tages, an dem Lance für mein Vorhaben empfänglich sein würde. Mein Ziel – abgesehen von dem Bestreben, herauszufinden, wie meine Chancen für eine Schwangerschaft standen – war es, seinen Traum von einem metaphysischen Fluchtweg zu zerstören, damit er sich von meinem realen Plan überzeugen ließ. Natürlich war es sinnlos, mit ihm darüber zu reden, er würde nur wieder anfangen, endlos zu diskutieren. Damit entschuldigte ich diese neuerliche Täuschung, bei der ich in dieselbe Falle tappte wie damals mit Eva, nur sollten diesmal die Konsequenzen noch furchtbarer sein.
Mein Patient stand unter dem Eindruck, daß er mich auf seine Seite gezogen hatte und daß die Erforschung seiner Vergangenheit (die erst noch Früchte tragen mußte) darauf abzielte zu beweisen, daß wir seelenverwandt waren. Als Gegenleistung weihte er mich in die esoterischen Techniken ein, deren er sich bei unserer ersten Begegnung auf der Treppe gerühmt hatte und die mir helfen sollten, die Aufmerksamkeit der Gebieter in den Studios auf mich zu lenken. Um seine Gefühle nicht zu verletzen, versprach ich ihm, sie anzuwenden, doch in Wahrheit hatte ich wenig Interesse an einer Karriere, die mich in jedem Fall zu einem Sklavendasein verdammte, ob auf einer gehobenen oder der untersten Ebene. Außerdem empfand ich seine Methode der Verinnerlichung und Weiterentwicklung des Rollencharakters widerwärtig, weil dadurch das aufgezwungene Programm verstärkt und ausgebaut wurde. Andererseits war ich der überfüllten und schäbigen Unterkunft auf meiner Ebene herzlich überdrüssig. Mein Ehrgeiz richtete sich auf eine Doppelbettmatratze, wie Lance sie hatte, deshalb war es mir gar nicht so unlieb, als ich ohne jede Anstrengung von meiner Seite die Aufmerksamkeit der Produktionsleitung erregte, und zwar ausgerechnet wegen meiner Narbe, die man für ein entwicklungsfähiges Unterscheidungsmerkmal hielt. Meine Beförderung zur gehobenen Komparserie wurde genehmigt mit dem Ergebnis, daß ich aus dem Hintergrund in den mittleren Bereich des Geschehens vorrückte und mein entwicklungsfähiges Unterscheidungsmerkmal in dekolletierten Roben und winzigen Bikinis zur Schau stellte. Nicht lange, und man entdeckte, daß ich auch gut sprechen konnte, dazu mit einem gewissen Flair, das man als sexy empfand, also teilte man mir einen oder zwei Sätze zu. Ich hörte sie sagen, daß man mich Candida taufen wollte. Dagegen hatte ich nichts einzuwenden. Eine Einzelbettmatratze im Schlafsaal der Kleindarsteller war mir nicht mehr gut genug, mir stand der Sinn nach den Übergrößen im nächsthöheren Geschoß. Candida war nicht übel.
Im Verlauf der nächsten paar Sitzungen, die sich zwischen unseren jeweiligen Verpflichtungen kaum einschieben ließen, geleitete ich meinen Pilger behutsam rückwärts durch ein Dutzend Reinkarnationen, bis wir schließlich auf ein Stück wirkliches Leben unter all den schematisierten Heldenexistenzen stießen: eine klare und lebhafte Erinnerung daran, einem Händler für gebrauchte Androiden abgekauft worden zu sein, von einem Talentsucher. Doch war er vorher zur Kur gewesen und dort sterilisiert worden? Das war es, was ich wissen wollte. Leider hatte ihn seine erste authentische Erinnerung so verstört, daß er nicht weitermachen wollte. Die Glaubhaftigkeit all seiner Rollen geriet ins Wanken, Illusionen, die er für Stationen auf dem Rad des Lebens gehalten hatte. Nach langer, vorsichtiger Überzeugungsarbeit wollte er sich lediglich dazu verstehen, daß auch er früher einmal zu einem Dasein als Androide in den Hollymoon-Studios verurteilt gewesen war, ohne Zweifel als Buße für irgendeine große Sünde in einer verflossenen Existenz.
»Nun denn, vielleicht ist das der Punkt, an dem unsere Seelen verbunden sind«, bemerkte ich, um ihn in die von mir gewünschte Richtung zu
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