Mein Leben als Stuntboy
Dad rast hin, um ihr aufzumachen. Sie hat Frank auf dem Arm. Sieht immer noch ganz benebelt aus, mein armer Frank, und unter den ganzen Verbänden ist er kaum zu erkennen.
benebelt
Ich frage Mom, ob ich ihn mal halten darf. Anscheinend sehe ich so traurig aus, dass sie Ja sagt.
Ich setze mich auf die Couch, Frank wie ein Baby auf meinem Schoß. Ich würde ihn am liebsten ganz doll drücken, aber ich weiß, dass man ihn jetzt ganz ganz vorsichtig behandeln muss.
»Tut mir leid«, flüstere ich ihm ins Ohr. »Tut mir so, so leid.«
Vielleicht bilde ich mir das nur ein, aber als er mich anschaut, ist es, als würde er lächeln. Könnte natürlich auch an der Narkose liegen. Ich halte ihn lange, bis Mom mit ihm in die Küchegeht, um ihm mit einer Pipette Wasser einzuflößen. Das Pferd mit dem roten Banner steht immer noch mitten auf dem Tisch, als würde es im Auftrag meiner Ritter die Burg bewachen. Ich schmeiße es in den Mülleimer und begrabe es unter einem Haufen Kaffeesatz und Orangenschalen.
Meine ganz persönliche Art, ein Star zu sein
Ich bitte Mom noch ungefähr fünfzig Mal, mich zu Hause bleiben zu lassen, damit ich mich um Frank kümmern kann, aber sie fährt mich trotzdem zur Schule.
»Du warst seit zwei Tagen nicht mehr da«, sagt sie. »Bestimmt freust du dich schon sehr, Matt wiederzusehen.«
Wahrscheinlich hat das was mit Frank zu tun, und dass wir ihn gestern fast verloren hätten, jedenfalls bricht die ganze Geschichte mit Matt plötzlich aus mir heraus. Ich erzähle Mom, dass mein bester Freund nicht mehr er selbst ist, seit ich vom Film engagiert wurde.
»Ich hab nur noch zwei Stunts zu machen, und einerseits will ich sie möglichst schnell hinter mich bringen, damit alles wieder so wird wie früher. Aber andererseits bin ich wütend auf Matt, weil er nicht erkennt, dass ich was total Cooles mache.«
erkennen
»Matt steht ziemlich unter Druck«, sagt Mom. »Jamie hat seit Monaten keine Arbeit, hängt nur zu Hause herum und schläft. Seine Mom macht sich große Sorgen und bestimmt belastet das Matt auch.«
Jamie ist Matts älterer Bruder, der seit dem Schulabschluss jede Menge Jobs gemacht hat: Verkäufer im DVD -Laden im Einkaufszentrum, Kellner in einem Café in Westwood Village, Tellerwäscher in einem vegetarischen Restaurant und sogar Rasenmähermann für die Landschaftsgärtnerei von Carlys Mutter. Bei unserem letzten Treffen sah er aus, als hätte erseit einer Woche nicht mehr geduscht. Als ich Matt drauf ansprach, sagte er, er will nicht darüber reden.
Vegetarier
»Trotzdem – Jamies Probleme sind noch lange kein Grund für Matt, sich über mich lustig zu machen«, sage ich.
»Da hast du recht. Aber man macht nicht immer alles aus gutem Grund, oder?«
Ich weiß, dass das stimmt, aber ein Stück von der Traurigkeit und der Wut der gestrigen Begegnung steckt immer noch in mir.
Begegnung
»Weißt du noch, wie du vor ein paar Jahren sauer auf Matt warst, weil er seine Geburtstagsfeier auf einen Tag gelegt hat, an dem du nicht konntest?«, meint Mom. »Das habt ihr doch hinterher auch wieder hingebogen.«
Hätte ich gewusst, dass die Fahrt zur Schule in eine Therapiestunde ausarten würde, hätte ich mich gleich auf dem Rücksitz hingelegt und sogetan, als wäre der eine Psychiatercouch. Außerdem weiß ich nicht, inwiefern es Matt und mir helfen könnte, zur Normalität zurückzukehren, wenn ich jetzt ein schmerzhaftes Erlebnis der vierten Klasse noch mal durchlebe. Denn genau das will ich – zur Normalität zurückkehren. Ich sage Mom, dass ich nach der Schule gleich heimkomme, und renne zu den Schließfächern, noch bevor es geklingelt hat.
Psychiater
schmerzhaft
Carly, Maria und Denise warten schon auf mich.
»Hast du Tanya Billings schon kennengelernt?«, fragt Carly. »Sie spielt in den Film doch mit, oder nicht?«
»Ich liebe Tanya Billings«, sagt Denise.
»Ihre Filme sind einfach umwerfend«, fügt Maria hinzu.
Ich mache mein Schließfach auf und schmeiße meinen Kram wie an jedemnormalen Tag wüst hinein. »Ja, ich hab sie kennengelernt. Wir haben ein bisschen gequatscht und so – sie ist echt nett.«
Maria und Denise hüpfen tatsächlich auf und ab, als wären sie an Hüpfstangen festgebunden. Zum Glück holt Carly sie wieder auf den Boden runter.
Sie zwingen mich, ihnen meine Begegnung mit Tanya in allen Details zu schildern, und auf einmal werden aus drei Mädchen fünf, und aus fünf werden acht, und aus acht werden zwölf.
»Was ist denn
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