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Mein Leben Als Suchmaschine

Mein Leben Als Suchmaschine

Titel: Mein Leben Als Suchmaschine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Evers
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Einfach so. Von Fenster zu Fenster. Nur so durch die Luft, also quasi WLAN.
    Dann wird es plötzlich ganz, ganz still im Innenhof. Aber ganz, ganz still. Mehrere Minuten lang. Dennoch merkt man genau, es ist diese gespannte Stille. Nicht diese Stille: Keiner ist da, sondern mehr diese Alle-hörn-zu-Stille. Bis man dann in diese Stille rein den dumpfen Aufprall eines Routers im Garten hört.
    Aus der Routerwohnung erklingen Freudenschreie, Jubelgesänge, Siegesgeheul. Dann geht das Fenster zu.
    Denke, das ist ganz, ganz wichtig. Sich diese Freiheit immer noch zu erhalten. Diese Geräte zur Not eben einfach aus dem Fenster werfen zu können. Denn diese befreiende, beglückende Wirkung von so einem Aus-dem-Fenster-Werfen ist durch nichts zu ersetzen.
    Ich achte immer sehr darauf, jederzeit etwas in der Wohnung stehen zu haben, was ich bei Bedarf mal wegschmeißen kann. Natürlich sollte das aber etwas sein, was man nicht später noch mal braucht. Nur deshalb habe ich mir ja diesen Eierkocher besorgt, der jetzt auf der Fensterbank steht. Immer wenn mich der Drucker oder so wieder zur Verzweiflung treibt, kann ich mir schnell den Eierkocher nehmen, ihn rauswerfen und hab erst mal wieder ein bißchen Luft. Dieser Eierkocher ist super. Der beste Kauf meines Lebens. Rudis Resterampe. Er ist auch ganz robust. So kann ich ihn dann auch später immer wieder raufholen und bei Bedarf noch mal wegschmeißen.
    Eigentlich ist das ja heute das Wichtigste bei jedem Kauf. Man muß immer schauen: Läßt sich das denn auch gut wegschmeißen? Viele Sachen gehen ja schon beim ersten Wegschmeißen kaputt. Das ist nichts. Man muß heute immer davon ausgehen, daß man ein Gerät, bis es mal wirklich fertig angeschlossen und installiert ist, zwischendrin drei- bis viermal weggeschmissen hat. Meinen Eierkocher habe ich bestimmt schon 20-mal weggeschmissen. In mehr als der Hälfte der Fälle als Stellvertreter für meinen Drucker. Selbstverständlich gucke ich meinen Drucker dann aber immer ganz durchdringend und böse an, wenn ich den Eierkocher in die Hand nehme. Und der Drucker weiß dann auch sofort, was Sache ist. Das beeindruckt den schon, diese Geräte sind ja auch nicht grundsätzlich doof.
    Der Mann ist mittlerweile unten im Garten und sucht seinen Router. Klar; hätt ich ihm vorher sagen können.
    Aber das Wegschmeißen war trotzdem richtig.
    Der andere Mann, zwei, drei Fenster weiter, gibt Tips.
    - Kalt, kalt,… wärmer, wärmer!
    Na, da soll aber noch mal einer sagen, die Berliner wären nicht hilfsbereit.

Traunstein

    Der Elektroladen ist völlig leer. Nur hinterm Tresen steht ein kleiner, dicker Mann im Zidane-Trikot. Gehe zu ihm.
    - Entschuldigen Sie, ich habe hier gestern einen Reisewecker und Batterien gekauft. Die Batterien sind aber die falschen.
    Er guckt mich erstaunt an. Sagt aber nix. Sage:
    - Ihr Kollege hat mir die falschen Batterien gegeben. Diese sind AAA, ich brauche aber AA.
    Keine Reaktion. Er schaut mich weiter schweigend an. In solchen Momenten wünsche ich mir oft, auf der Stirn des Gegenübers möge doch auch so eine Zeitleiste erscheinen, wie beim Computer, wenn man da irgendwas lädt oder so:
    »Verbleibende Dauer bis zur Beantwortung der Frage: ca. 2 Minuten…«,
    möglichst auch mit so einem blauen Balken.
    »Weniger als 2 Minuten… ca. eine Minute… weniger als eine Minute…«
    Während der Mann noch die Fragedaten lädt, nutze ich die Zeit und schaue noch mal sein Trikot an. Denke, das sieht einfach komisch aus. Ich finde es immer noch irritierend, wenn so respektable Männerbäuche in die Trikots von Hochleistungssportlern gesteckt werden. Irgendwie erschrickt man bei diesem Anblick. Ich find sie jedesmal wieder seltsam: die runden Ballacks, pummligen Podolskis, kleinwüchsigen Mertesackers oder dicken Zidanes. Aber Gottseidank sind die Männer, die diese Trikots tragen, ja nur Fans von Fußballern. Wenn diese Männer jetzt zum Beispiel mal Fans von Kunstturnerinnen wären… Das wäre vermutlich noch viel gewöhnungsbedürftiger. Obwohl, das Stadtbild würde es sicherlich auflockern.
    Offen gestanden hatte ich früher sogar auch so ein Trikot. Eins von Gerd Müller. Allerdings war das jetzt nicht so vollkommen lizenziert. Also, eigentlich gar nicht. Also, genaugenommen war es nur ein weißes T-Shirt, auf das ich mit Filzstift eine »9« gemalt hatte. Trotzdem haben mich viele, wenn ich dieses Trikot anhatte, für Gerd Müller gehalten. Obwohl, na ja, eigentlich nur meine Mutter.
    Der dicke Zidane

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