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Mein Leben Als Suchmaschine

Mein Leben Als Suchmaschine

Titel: Mein Leben Als Suchmaschine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Evers
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mittlerweile ziemlich verbittert. Vielleicht ist er aber auch über all die Jahre klug und weise geworden. Für den Elefanten ist die ganze Welt ein Jahrmarkt. Er hat ja nie etwas anderes gesehen.
    Das Pony mit den Kordelkindern ist mittlerweile zum Stehen gekommen. Die Kinder fanden’s super und betteln den Mann vom Tierasyl an, noch mal von dem Pony über den Weihnachtsmarkt geschleift werden zu dürfen.
    Ein neuer Betrunkener stellt sich auf zwei Mülltonnen und brüllt: - Kinder, hört zu! Laßt euch nicht verarschen! Den Weihnachtsmann gibt es gar nicht!
    Ein Weihnachtsmann vom Glühweinstand brüllt zurück: - Stimmt nicht! Den Mann auf den Mülltonnen gibt es gar nicht!
    Und der türkise Plüschelefant denkt sich: Na, womöglich ist es tatsächlich das Beste, hier einfach für immer in diesem Regal stehenzubleiben.

Der Ausdruck

    Als ich das Kind von der Schule abhole, informiert es mich über die Ereignisse des Tages:
    - Timo hat heute einen fetten Ausdruck benutzt. Zwei Striche!
    Wenn die Kinder in der Schule Ausdrücke benutzen, bekommen sie Striche. Für besonders schlimme Ausdrücke auch schon mal zwei. So etwas ist dann ein fetter Ausdruck.
    - Hm. Was hat er denn gesagt?
    - Das kann ich nicht sagen. Der Ausdruck ist zu schlimm, und wenn ich ihn wiederhole, habe ich ihn ja auch benutzt.
    Das macht neugierig.
    - Nein, du informierst mich ja nur. Das ist was anderes. Das darfst du.
    - Also gut. Timo hat gesagt: Fick deine Mutter!
    - Ja, das ist allerdings ein fetter Ausdruck. Da kann man schon mal zwei Striche geben.
    - Mmh, fand ich auch.
    Wir gehen weiter. Das Kind denkt nach.
    - Sag mal Papa. Was ist eigentlich ficken?
    - Was?
    - Na, dies Ficken. Ist das was Schlimmes?
    - Nein! Nein, Ficken ist nichts Schlimmes. Überhaupt nicht. Nein, nein.
    - Ach so, na dann.
    Das Kind beginnt zu singen.
    - Ficken, ficken, ficken, … , ficken, ficken, yeah … was ist nur ficken? … ficken, ficken, yeah…
    Die anderen Passanten bleiben stehen und starren uns an. Ein Vater mit seiner siebenjährigen Tochter, die begeistert ein Lied übers Ficken singt. Bei sowas würd ich allerdings auch stehenbleiben.
    Das Kind wird wieder nachdenklich.
    - Aber was genau ist denn jetzt ficken? Ich hab ja in der Pause auch schon Timo gefragt, aber der wußte es auch nicht.
    Die Menschenmenge um uns herum wächst langsam an. Spüre, wie bei mir der Schweiß ausbricht.
    Sage:
    - Och, das besprechen wir vielleicht lieber zu Hause, wenn Mama auch dabei ist.
    Die Menschenmenge versperrt uns den Weg. Einer brummt.
    - Nix! Das Kind hat eine Frage gestellt!
    Also gut. Ich hole aus.
    - Ja… also…, »ficken« ist ursprünglich natürlich gar kein schlimmes Wort. Aber überhaupt nicht. Eigentlich kommt es ja aus dem Norddeutschen und bedeutet im Prinzip soviel wie »machen«. Umgangssprachlich jedoch wurde es dann mehr und mehr für Tätigkeiten verwendet, die man sonst nicht so gerne so direkt beschreiben wollte… also… also…
    Ich rede wie im Fieber. Der Schweiß läuft jetzt in Strömen. Komme zu irgendwelchen Lautverschiebungen, aufgrund irgendwelcher Völkerwanderungen irgendwelcher Goten. Gleichzeitig suche ich nach einer Fluchtmöglichkeit. Wenn ich den offenen Gulli 20 Meter weiter vorne erreichen würde, könnte ich da einfach reinspringen, und alles wäre gut. Aber die drei Rentnerinnen schräg links haben den offenen Gulli auch schon bemerkt. Ganz geschickt decken sie ihn ab.
    Ich bin gerade dabei, zu erläutern, wie Hermann der Cherusker im Teutoburger Wald die Römer gefickt hat, als das Kind plötzlich sagt:
    - Ah ja, jetzt weiß ich schon.
    - Echt?
    Ich kann mein Glück kaum fassen. Die alte Strategie des So-lange-wirr-am-Thema-Vorbeiredens, bis niemand mehr weiß, worum es eigentlich geht, und entnervt aufgibt, hat wieder funktioniert. So habe ich auch schon mein Abitur gekriegt.
    - Ja ja, erklärt das Kind, ficken, das ist praktisch, wenn Mann und Frau sich nackig sehen.
    - Najaaa. Obwohl, für den Moment lass ich das mal so gelten.
    Das war gerade noch mal gutgegangen. Die Menschenmenge beginnt sich enttäuscht aufzulösen. Ich bin erleichtert. Das Kind strahlt mich an:
    - Mensch Papa, dann haben wir ja auch schon oft gefickt.
    Oh, bitte nicht. Die Passanten kehren zurück. Eine der Rentnerinnen fällt vor Schreck in den offenen Gulli. Und ich spüre plötzlich wieder das alte schmiedeeiserne Brückengeländer an meinen Halsmuskeln. Das sichere Gefühl, da kommste nie wieder raus. Wünsche mir, der Förster möge doch

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