Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Leben Als Suchmaschine

Mein Leben Als Suchmaschine

Titel: Mein Leben Als Suchmaschine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Evers
Vom Netzwerk:
obwohl sie alles so machen, wie in der Anleitung beschrieben, aber ihr Glas geht einfach nicht. Ihr Glas geht nie. Man hat ihnen da aber auch wahrscheinlich das falsche Glas gegeben. Warum gibt es überhaupt unterschiedliche Gläser? Kann man das nicht einheitlich machen? Das ist doch Absicht!!!
    Und nachdem du mit diesen aufgebrachten, immer lauter werdenden Menschen eine dreiviertel Stunde alles durchgegangen bist, alles mehrfach erklärt und verzweifelt nach Fehlerursachen geforscht hast, stellt ihr irgendwann zusammen fest, daß man ja die Öffnung des Glases nach oben halten muß. Nicht der Boden, die Öffnung muß unter den Wasserstrahl. Und statt Freude oder Dank erntest du nur noch mehr Wut: Das mit der Öffnung muß einem doch gesagt werden. Keiner sagt einem das. Und überhaupt dieser ganze Wasserhahnscheiß, der geht ihnen sowieso dermaßen was von auf die Nerven. Alles geht nur noch mit Wasserhähnen. Überall Wasserhähne! Nix als Wasserhähne. Früher; ohne diese Wasserhähne, ging’s doch auch! Eigentlich sogar besser!!!
    Und solche Gespräche erlebst du dann nicht nur einmal, sondern 10-, 15-, 20-mal am Abend.
    Unter Tränen sackt Jan in sich zusammen. Gott, ich hatte ja keine Ahnung. Es muß furchtbar sein, sich mit Computern auszukennen. Er tut mir aufrichtig leid. Sein ganzes Leben hat er sich mit diesem Computerwissen verpfuscht.
    - Duu, Jan, sage ich.
    - Mmmmh.
    - Duuu Jan. Jetzt mal angenommen. Ich hätte an meinem Wasserhahn ein Virenschutzprogramm installiert…
    Seit diesem Tag hat Jan nicht mehr mit mir gesprochen.

Auge um Auge

    Samstagnachmittag. Sitze in der Küche und trinke Kaffee. Also, nicht wirklich, denn der Kaffee ist aus. Also, nippe an der leeren Tasse und rieche in die Thermoskanne. Das geht. Die riecht ja immer noch für Wochen nach Kaffee. Betrachte meinen elektrischen Eierkocher, der auf der Fensterbank steht.
    Aus dem Innenhof kommen Geräusche. Offensichtlich will einer meiner Nachbarn seinen Samstagnachmittag nutzen, um bei sich zu Hause einen Router zu installieren.
    So, wie es klingt, läuft es aber wohl nicht so ideal. Höre genauer hin und stelle fest, daß die Geräusche nicht mal aus unserm Innenhof kommen, sondern wohl noch zwei, drei Höfe weiter. Ist aber nicht so schlimm, denn er ist echt laut genug.
    Eigentlich hört man genaugenommen zunächst nur so einzelne Schreie:
    - Was? Nein! Ohhh. Das. Nein. Das glaub ich nicht!
    Erst mit der Zeit entwickeln sich ganze Sätze, jetzt entsteht wohl sowas wie eine Beziehung zwischen dem Router und diesem Menschen:
    - Nein, das darfst du nicht. Dazu hast du kein Recht. Du mußt jetzt endlich! Du Schwein! Ich habe doch alles getan, was du wolltest! Duuuu!!!! Jetzt steh nicht einfach nur so rum! Blink gefälligst. Ich kann auch anders! Wenn du nicht sofort…! Dann! Dann!!!
    Denke, so wird er bei diesem Router keinen Erfolg haben.
    So läßt sich ein Router offensichtlich nicht einschüchtern. Die sind tough. Verdammt gut geschult in ihrer Ausbildung. Die Drillinspektoren seiner Herstellerfirma wären stolz auf ihn.
    Man muß sich das so ähnlich vorstellen wie bei den US-Marines, sieht man ja manchmal in Filmen, wie die dann auch unter heftigsten Verhörbedingungen, Androhungen, ja Folter sogar; beständig und konsequent nichts weiter sagen als ihren Namen und ihren Dienstrang:
    - Ich bin Sergeant Miller, 3. Infanteriebataillon der US-Navy-Sharks… Ich bin Sergeant Miller, 3. Infanteriebataillon der US-Navy-Sharks… Ich bin Sergeant Miller, 3. Infanterie… und so weiter.
    So ein Router macht das ganz genauso.
    - Eine Verbindung kann nicht hergestellt werden. Überprüfen Sie Ihre Anschlußdaten und Ihre Kabelverbindungen… Eine Verbindung kann nicht hergestellt werden. Überprüfen Sie Ihre Anschlußdaten und Ihre Kabelverbindungen… Eine Verbindung…
    Irgendwann hat der Router ihn weichgekocht. Dem Mann platzt der Kragen. Aber immerhin kann er jetzt sein Anliegen, sein Problem mal richtig benennen:
    - Aaaarrhh, was willst du von mir? Was soll das? Ich weiß nicht, was meine Anschlußkennung, persönlich, Scheiße, Arschloch, Kennwort, rummsbumms Nummer ist.
    Aus einer anderen Ecke, zwei, drei Fenster weiter, brüllt es plötzlich:
    - Das steht in dem Schreiben mit deinen Zugangsdaten!
    - Das hab ich verloren!
    - Dann bist du am Arsch!
    Denke, das ist schön, wie diese modernen Kommuptikationsmedien die Menschen zueinanderführen. Sie dazu bringen, miteinander zu reden. Einander zu helfen. Ganz direkt. Ohne Umwege.

Weitere Kostenlose Bücher