Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Leben Als Suchmaschine

Mein Leben Als Suchmaschine

Titel: Mein Leben Als Suchmaschine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Evers
Vom Netzwerk:
nicht mehr so richtig Lust. Das spinnt doch, das Wetter. Das hat doch jeden Bezug zur Realität verloren. Glaubt, es kann sich alles erlauben. Aber mit New Orleans hat es wirklich über die Stränge geschlagen. Das Wetter soll mal lieber schön aufpassen. Die USA gucken sich das bestimmt nicht mehr lange so an. Diese Willkür- und Schreckensherrschaft vom Wetter. Wenn das Wetter so weitermacht, haben die USA ja gar keine andere Wahl, als das Wetter anzugreifen. Dann weht aber ein anderer Wind für das Wetter. Das geht ganz schnell, und zack, findet sich das Wetter in irgendwelchen Kellern in Polen oder Rumänien wieder. Dann kann’s mal sehen! Aber was kommt nach dem Wetter? Da entsteht doch dann ein Klimamachtvakuum? Na ja, die USA werden das ja sicher schon alles bedacht haben.
    Der Mann hat jetzt seinen und drei weitere Einkaufswägen umgerissen und tritt mit dem Fuß gegen das Münzausgabefach. Dabei hat er große Schwierigkeiten, den Takt zu halten. Unangenehm unrhythmisch ist seine Trittfolge. Ich finde es immer etwas befremdlich, wenn Menschen in ihren Wutausbrüchen jegliche Musikalität abgeht. Gucken die denn keine Filme? Wut kann so ästhetisch sein, wenn man nur mit ein bißchen Liebe an die Präsentation geht.
    Im Umgang mit ihrer Wut lassen viele Menschen ja häufig jegliche Sorgfalt oder auch nur Vernunft vermissen. Dabei bietet unsere Gesellschaft so viele Möglichkeiten. Ich nutze die doch auch. Zum Beispiel bei der letzten Kaiser’s-Herzen-Aktion. Nur noch drei Herzen hatten mir gefehlt für ein Milchkännchen. Nur drei Herzen noch. Dann mußte ich für ein oder zwei Wochen weg, und als ich wiederkam, war die Aktion ausgelaufen und all meine Herzen wertlos. Dabei hätte ich für meine Herzen vorher schon locker zwei oder drei Müslischalen bekommen. Aber nein, ich wollte ja unbedingt das Milchkännchen.
    Hab dann natürlich innere Wut bekommen. Bin also mit meiner inneren Wut zum Arzt. Der hat gesagt, ich soll mich wegen innerer Wut nicht aufregen. Innere Wut kommt drei Tage, bleibt drei Tage, geht drei Tage. Hab gesagt, die Zeit hab ich nicht. Hab wichtige Termine, wenn ich bei denen innere Wut habe, ist das sehr ärgerlich. Hat der Arzt gesagt: Innerer Wut soll man nicht mit spaßen, kann schnell chronisch werden. Hat mir dann aber doch Kamillentee und Sport empfohlen. Dafür mußte ich zehn Euro Praxisgebühr bezahlen, was die innere Wut erst mal noch mal verstärkt hat. Und für enormen Streß hat es auch gesorgt, weil ich mir in der Folge in dem Quartal noch achtmal Gründe für einen Arztbesuch ausdenken mußte, damit sich die Praxisgebühr auch gelohnt hat. Am Ende bin ich nur zum Arzt, um ihm von meiner Wok-Pfanne zu erzählen. Und zum Sport bin ich auch nicht gekommen. Aber wie soll man das auch schaffen, wenn man ständig zum Arzt muß. Trotzdem, durch die vielen Termine fehlte mir dann irgendwann auch die Zeit für die innere Wut.
    An der Telefonzelle hängt ein Zettel, daß dieser öffentliche Fernsprecher wegen Vandalismus außer Betrieb ist. Dieser Zettel hängt bestimmt schon seit sechs oder sieben Jahren da. Wahrscheinlich ist die Zelle von vornherein so, mit diesem Zettel, aufgestellt worden. Als Mahnmal oder so.
    Der Mann hat sich mittlerweile einen Stein geholt und drischt damit auf den Einkaufswagen ein. Der macht’s richtig. Dieser Mann hat verstanden. Der jammert nicht, der tut was. Und schön rhythmisch ist er jetzt auch geworden. Plötzlich fällt der Euro tatsächlich aus dem Einkaufswagen raus. Verblüfft, fast ein wenig verärgert starrt der Mann ihn an. Dann hebt er ihn liebevoll auf, steckt ihn zurück in den Einkaufswagen und beginnt wieder zu rütteln.
    Wie sagte doch Frau Merkel in der ersten großen Neujahrsansprache zu Beginn ihrer Amtszeit? »Jeder Weg beginnt mit einem ersten Schritt.«
    Na ja, das hätte ein chinesischer Glückskeks nicht besser formulieren können.

Februar

    Zwei Fliegen begatten sich gegenseitig auf der Fensterscheibe. Tja, die hamm Spaß. Süß. Frage sie, ob ich mitmachen darf? Die beiden Fliegen fliegen in Panik davon. Fühle mich allein. Und mißverstanden. Da sitz ich nun, im Februar, in der Küche, mit zwei arroganten Fliegen. Die mich behandeln, als wäre ich Luft. Natürlich könnte ich ihnen den Respekt einbleuen. Der Stärkere wäre ich ja - wahrscheinlich. Aber sie sind schneller und können fliegen und vor allem - sie sind zu zweit. Zwei gegen einen. Einen Luftkrieg gegen sie könnte ich nicht gewinnen, und auf einen Bodenkrieg

Weitere Kostenlose Bücher