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Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story

Titel: Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Omar Nasiri
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einziger, sterblicher Körper.
     
    Zu meiner Überraschung lernten die Tschetschenen manches schneller als ich. Dabei hatte ich doch jahrelang bei Édouard den Umgang mit Waffen geübt, während sie gerade erst damit begonnen hatten. Und sie waren noch sehr jung, der älteste war sicher noch keine neunzehn Jahre alt. Aber sie besaßen eine Leidenschaft, die mir fehlte – die leidenschaftliche Liebe zu ihrem Heimatland. Sie wollten unbedingt dorthin zurückkehren und Russen töten.
    Natürlich stellten wir uns gegenseitig niemals Fragen. Trotzdem erfuhr ich allmählich doch etwas mehr über ihre Hintergründe. Sie wurden immer noch von Dingen verfolgt, die sie in ihrer Heimat gesehen hatten. Jeder von ihnen beschrieb auf seine eigene Weise die ständige Gegenwart des Todes in seinem Dorf und seiner Familie. Einige erzählten von der schrecklichen Schlacht, die im Winter zuvor in Grosny stattgefunden hatte, von den Flächenbombardements, den Zerstörungen und den auf den Straßen herumliegenden Leichen.
    Die Tschetschenen kannten sich noch nicht sehr lange. Sie waren sich in Islamabad zum ersten Mal begegnet. Ihre Familien hatten sie dorthin geschickt, um sie vor dem Krieg zu bewahren. Aber keiner von ihnen wollte sich schützen lassen. An der Universität von Islamabad hatten sie sich sofort zur Ausbildung in den afghanischen Lagern anwerben lassen. Jetzt waren sie wirklich dankbar, hierhergekommen zu sein, und wütend auf ihre Eltern, dass diese sie hatten vor der Front bewahren wollen. Als sie mir das erzählten, verstand ich im Nachhinein die Meinungsverschiedenheit zwischen dem tschetschenischen Vater und seinem Sohn, die ich im Tabligh-Zentrum beobachtet hatte.
    Der jüngste und körperlich kleinste meiner tschetschenischen Brüder, der als Erster die DSchK abgefeuert hatte, war auch der bei weitem wildeste und erbittertste. Vom Aussehen her war er ein goldiger Junge mit blonden Haaren, ganz heller Haut und großen blauen Augen. Er war anders als seine Landsleute, viel ernsthafter. Niemals lachte oder lächelte er wie wir anderen. Er sprach auch fast nie, und wenn doch, war seine Wortwahl aggressiv, ja sogar brutal. Während die anderen davon redeten, heimgehen und russische Soldaten töten zu wollen, meinte er nur, er wolle diesen Russen die Hälse abschneiden.
    Er tat mir leid, und ich wollte ihm helfen. Während des Trainings kümmerte ich mich um ihn, soweit dies möglich war, in der restlichen Zeit versuchte ich, ihn durch freundschaftliches Zureden etwas aus seiner selbst gewählten Reserve zu locken. Trotzdem dauerte es mehrere Monate, bis er mir schließlich seine Geschichte erzählte. Die Russen seien in sein Dorf gekommen, und es habe dann einen fürchterlichen Kampf gegeben. Dabei hätten die Russen eine Granate in sein Haus gefeuert. Alle, die zu dieser Zeit darin waren, seien sofort tot gewesen – seine ganze Familie. Nicht nur seine Eltern, Brüder und Schwestern. Seine gesamte Großfamilie, insgesamt fünfzehn Personen.
     
    Ab und zu kamen aus anderen Lagern Ausbilder, um uns ganz bestimmte Fertigkeiten beizubringen. So absolvierten wir zwei Wochen lang unter Leitung eines Algeriers namens Assad Allah ein ganz besonderes körperliches Training. Er war ein wahrer Hüne. Mit seinen grünen Augen und roten Haaren sah er wie ein irischer Rugbyspieler aus.
    Ein anderes Mal bildete uns ein anderer Trainer drei Wochen lang im Kampf Mann gegen Mann aus. Im Lager wurde geflüstert, dass er Oberst in einer Sondereinheit der ägyptischen Armee gewesen sei. Er brachte uns alle möglichen Dinge bei; wie wir uns einer Gefangennahme entziehen, notfalls wieder ausbrechen, kleine Gegenstände in tödliche Waffen verwandeln, einen Feind entwaffnen und dann dessen eigene Waffen gegen ihn benutzen konnten. Danach zeigte er uns, wie man jemanden tötete, ohne dass dieser noch den leisesten Ton von sich geben konnte. Man musste sich ihm von hinten nähern und ihm dann das Messer an genau der richtigen Stelle in den Leib stoßen und dabei seine Lunge so durchstechen, dass er sofort erstickte. Zum Schluss lehrte er uns, einen Menschen ohne Waffe mit bloßen Händen oder Füßen zu töten. Es war sicher nicht überraschend, dass es in diesen Wochen viele Verletzungen gab, als wir alle diese Praktiken miteinander übten.
     
    Eine Unterrichtseinheit umfasste Überwachungstaktiken. Wir lernten, wie man ein Gebäude vor einem Bombenangriff observierte. Wir mussten wissen, ob es dort Wachen oder Videokameras gab, woraus

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