Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
hart. Jedermann schaute zu ihm auf, selbst Abu Bakr. Er war der mächtigste Mann im Lager, aber dann war er auch wieder auf seine Weise liebenswürdig. Als ich einmal krank war, sorgte er sich rührend um mich, brachte mir morgens gekochte Eier in den Schlafsaal und kam unter Tags immer wieder vorbei, um nach mir zu sehen. Er brachte mir Hühnersuppe und erklärte mir, dass Hühnerfleisch viele Vitamine und Mineralstoffe enthalte und mir die Suppe deshalb guttun werde. Dies ging natürlich nicht ewig so weiter: Nach drei Tagen befahl er mir, aufzustehen und wieder am Training teilzunehmen. Als ich erwiderte, dass es mir immer noch recht schlecht gehe, ließ ihn das völlig kalt. Er meinte nur, dass frische Luft jetzt genau das Richtige für mich sei.
Als Ausbilder war er zwar sehr streng und konsequent, aber nicht so sadistisch wie Abu Bakr. Er verlangte uns eine Menge ab, ging uns aber verbal nie sehr hart an. Seine Aussagen über den Dschihad unterschieden sich von denen der anderen. Für ihn war der Dschihad nicht der Kampf für eine ganz bestimmte Gruppe oder gegen einen ganz bestimmten Feind, sondern etwas Globales. Was auch immer wir taten, wo auch immer wir kämpften, taten wir dies seiner Ansicht nach für die gesamte muslimische Umma.
In der taktischen Trainingsphase bekamen wir endlich unsere eigene Kalaschnikow. Dies war ein unglaublich aufregender Moment. Abu Hamam überreichte sie mir und den Tschetschenen und erklärte uns dabei in einem langen Vortrag, wie wir mit ihr umgehen sollten. Unser Gewehr sei amana, ein Geschenk, das uns nicht gehöre, wofür wir aber voll verantwortlich seien.
„Ihr müsst euer Gewehr wie euren Augapfel hüten“, sagte er. „Es ist wie euer Körper, es wird zusammenbrechen, wenn ihr es nicht pflegt. Jeden Abend müsst ihr es sorgfältig reinigen. Denkt immer daran, dieses Gewehr ist euer Leben. Wenn ihr euer Gewehr verliert, werdet ihr auch euer Leben verlieren. Es ist alles für euch – es ist euer Sohn, es ist eure Frau. Vergesst das nie.“
Bald wurde meine Kalaschnikow tatsächlich ein Teil von mir. Nachts nahm ich sie in den Schlafsack mit, und ich hatte sie dabei, wenn ich in der Moschee meine Gebete verrichtete. In jeder Sekunde des Tages wusste ich genau, wo sie war. Aber sie war nie geladen – das war Vorschrift. Solange wir im Lager waren, mussten wir unsere Munition getrennt von unserem Gewehr aufbewahren. Sonst hätten wir uns am Ende noch gegenseitig umgebracht.
Eines Abends saß ich mit Ibn Sheikh und einigen anderen vor der Moschee. Während wir uns unterhielten, spielte ich mit meiner Kalaschnikow herum und schob dabei ganz leicht den Ladehebel vor und zurück. Einmal passte ich dann nicht auf und schob den Ladehebel ganz nach hinten, bis ein lautes Klicken zu hören war. Natürlich passierte sonst überhaupt nichts: Es befand sich ja kein Geschoss im Lauf, und selbst wenn, hätte ich erst einmal den Abzug betätigen müssen, bevor sich ein Schuss gelöst hätte. Aber das spielte jetzt alles keine Rolle. Ibn Sheikh hatte das Klicken gehört und wandte sich mir sofort zu. „Abu Imam“, sagte er streng. „Du weißt doch, dass du nicht mit deiner Waffe herumspielen sollst.“Dann befahl er mir, den Berg hinauf-und hinunterzulaufen.
„Wie lange?“, fragte ich ihn.
„Bis ich dir sage, dass du aufhören kannst“, antwortete er.
Eine volle Stunde lang lief ich den Berg hinauf und hinunter. Ich war vom Training an diesem Morgen noch erschöpft gewesen und befand mich jetzt endgültig in einem erbärmlichen Zustand. Endlich hörte ich das Zischen einer Kugel und dann das laute Geräusch, als sie etwa fünfzehn Meter von mir entfernt auf den harten Felsboden prallte. Meine Bestrafung war beendet und ich durfte ins Lager zurückkehren.
In meiner Zeit in Khaldan wurde ich oft bestraft – mehr als jeder andere. Im Gegensatz zu den anderen Rekruten ließ ich mich von Ibn Sheikh und den restlichen Ausbildern nicht einschüchtern. Schon früh wurde ich als eine Art Klassenclown bekannt. Wenn ich während der Ausbildung für die Tschetschenen die arabischen Anweisungen ins Englische übersetzte, flocht ich immer kleine Witze ein. Dann mussten die Tschetschenen lachen, was wiederum die Ausbilder ärgerte. Ibn Sheikh tadelte mich deswegen. Außerdem tadelte er mich, als ich dasselbe in den abendlichen Lehrveranstaltungen machte. Die Tschetschenen brachen dann schon einmal mitten in einer religiösen Unterweisung in schallendes Gelächter aus,
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