Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
erklärte uns den Unterschied zwischen dem fard Dschihad und dem kifaya Dschihad, also zwischen dem pflichtgemäßen oder verteidigenden Dschihad und dem offensiven oder präemptiven Dschihad. Er machte uns deutlich, dass wir alle den fard Dschihad kämpften, bei dem es darum ging, die Länder des Kalifats aus der Hand der Ungläubigen zu befreien. Hingegen konnte nur ein Kalif den kifaya Dschihad ausrufen und dadurch den Muslimen befehlen, die kaffir in nicht-muslimischen Ländern anzugreifen und zu bekehren oder zu töten. Aber das Kalifat hatte geendet, als das Osmanische Reich zusammengebrochen war. Aus diesem Grund gab es gegenwärtig keinen Kalifen mehr, der einen solchen Befehl hätte aussprechen können. Ibn Sheikh forderte uns daher auf, immer daran zu denken, dass jeder unserer Kämpfe Teil der größeren Schlacht um die Wiedererrichtung des Kalifats sei.
Die bei weitem wichtigste Schlacht, die ein Mudschahidin kämpfen konnte, war die um die Wiedergewinnung des palästinensischen Landes von Israel. Ibn Sheikh erinnerte uns daran, dass Jerusalem das Herz des Islams sei. In jeder Gefahrensituation schütze jeder Mensch erst einmal sein Herz. Erst später komme dann der Rest. Palästina war natürlich nicht der einzige Dschihad, aber letztlich doch der entscheidende.
Ein weiterer wichtiger Dschihad war der gegen die Inder in Kaschmir. Die Hindus waren Götzenanbeter. Sie verehrten die Kuh, so wie Aaron und seine Anhänger sich von Mose abgewandt und das Goldene Kalb angebetet hatten. Die Hindus waren tatsächlich Abkömmlinge eines jüdischen Stamms, der vor vielen Jahrhunderten nach Indien gezogen war.
Ein anderer großer Feind waren die Schiiten. Sie waren Neuerer, die schlimmste Sünde von allen. Im Islam gab es keine Neuerungen. Es gab nur den Koran und die Sunna. Deswegen lernte auch jedes muslimische Kind, die Worte des Korans in ihrer ursprünglichen, arabischen Form phonetisch korrekt auszusprechen. Deswegen bestimmte die Sunna das Verhalten jedes Muslims. Der Iran war der Erzfeind des Islam, ein schlimmerer Feind als Amerika, Russland und selbst Israel. Diese waren Ungläubige, aber die Schiiten waren weit gefährlicher. Sie versuchten, den Islam von innen heraus zu zerstören.
Bosnien, Tschetschenien, Usbekistan, Tadschikistan waren wichtige Kampfstätten des Dschihad. In all diesen Fällen kämpften die Mudschahidin mit den kaffir um die Kontrolle eines muslimischen Landes. Dies war jedem von uns klar. Noch klarer war uns die Notwendigkeit, die weltlichen Regierungen in den muslimischen Ländern zu stürzen. Die Theokratie war die einzig zulässige Regierungsform für eine islamische Nation. Allerdings war zu dieser Zeit der Iran die einzige Theokratie. Und da die Iraner Schiiten waren, war das natürlich überhaupt kein Trost. Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen, Jordanien und Ägypten, alle diese Länder wurden von Ungläubigen regiert, weil in ihnen Männer und nicht Gott an der Herrschaft waren.
Aber diese Regime waren auch noch aus einem anderen Grund Feinde des Islam. Jeder wusste ja, dass deren Regierende nur die Marionetten anderer Mächte wie Russland, Amerika, Frankreich oder Großbritannien waren. Alle diese ausländischen Staaten hielten die gesamte muslimische Welt unter ihrer Kontrolle, indem sie korrupten Führern zur Macht verhalfen, die dann ihre Interessen vertreten mussten. Aus diesem Grund war der Dschihad gegen diese weltlichen Regime in jedem Fall auch ein Kreuzzug gegen die ausländischen Einflüsse.
An einem Abend fragte ein Bruder, welches wohl der nächste Dschihad sein werde. Ibn Sheikh zögerte mit seiner Antwort keine Sekunde: der Irak. Der Irak sei reich an Öl und habe eine schwache Regierung. Der Golfkrieg und die Sanktionen hätten Saddam fast seiner gesamten Macht beraubt. Das Volk dort sei bereit zur Revolution, da es schon so lange von Saddam unterdrückt werde. Natürlich gebe es noch einen anderen Grund, den Irak als Kampfziel auszuwählen: Wenn die Mudschahidin die Herrschaft im Irak errungen hätten, wäre der Iran endgültig umzingelt. Das sei eine einmalige und höchst verlockende Gelegenheit.
Es gab allerdings zwei muslimische Länder, über die wir fast nie sprachen: Afghanistan und Pakistan. In beiden Ländern waren wir ja Gäste. Afghanistan nannten wir das „Land des Dschihad“: Es hatte uns willkommen geheißen und erlaubte uns nun, auf seinem Boden für unseren weltweiten Kampf zu trainieren. Auch Pakistan war ein Verbündeter: Viele
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