Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
für mich jede Faszination verloren. Während meines Sommers in Paris hatte ich einen Dokumentarfilm über den Krieg gesehen, der mir endgültig klarmachte, dass die PLO-Kämpfer keine Mudschahidin waren. Die PLO war nur eine politische Partei mit Waffen. Sie kämpften nicht für die muslimische Umma, sie kämpften für rein politische Ziele.
Wann immer die PLO in diesem Filmbericht, den ich im Centre Pompidou sah, auftauchte, war im Hintergrund Musik zu hören. Selbst die Christen schienen frommer zu sein. Viele von ihnen hatten winzige Kruzifixe an ihre Sturmgewehre geheftet. Aber die PLO-Kämpfer hörten Musik.
Nein, das waren keine Mudschahidin.
Die meisten Brüder wussten, wohin sie gehen würden, wenn sie das Lager verließen: Sie würden dorthin zurückkehren, woher sie gekommen waren, und sich dort am Dschihad beteiligen. Ich war allerdings ganz allein und von nirgendwoher gekommen. Ich konnte mir deshalb meinen eigenen Dschihad aussuchen. Ich konnte kämpfen, wo immer ich es wollte.
Als mich an einem Abend Ibn Sheikh fragte, wohin ich gehen wolle, wenn ich Khaldan verließe, musste ich nicht einmal eine Sekunde nachdenken, bevor ich ihm antwortete. „Tschetschenien“, sagte ich zu ihm. „Ich möchte nach Tschetschenien gehen.“
NACHTWACHE
Eines Nachts wurde ich von Gewehrfeuer aufgeweckt, das offensichtlich ganz aus der Nähe des Lagers kam. Ich setzte mich in meinem Schlafsack auf und griff nach meinem Gewehr. Es war nicht mehr da.
Bamm. Bamm. Bamm. Tat-tat-tat-tat. Man hörte Explosionen und noch mehr Gewehrfeuer. Es war sehr dunkel. Nur eine ganz schmale Mondsichel spendete ein wenig Licht. Ich tastete die ganze Umgebung nach meiner Kalaschnikow ab, konnte sie aber nirgendwo finden. Ich geriet in Panik. Wenn ich meine Waffe verloren hatte, würde ich fürchterliche Probleme mit dem Emir bekommen.
Dann schüttelte ich diesen Gedanken ab. Bamm. Bamm. Tat-tat-tat-tat-tat. Bamm. Der Waffenlärm kam immer näher. Ob ich später Schwierigkeiten bekommen würde, spielte jetzt keine Rolle mehr, da wir vor weit größeren Problemen standen. Das Lager wurde angegriffen, und ich hatte keine Waffe. Es stellte sich heraus, dass es den anderen Brüdern in meinem Schlafraum genauso ging. Jemand war hereingekommen, während wir schliefen, und hatte alle Gewehre mitgenommen. Wir waren wehrlos.
Plötzlich betrat ein Mann den Raum. Meine Augen hatten sich inzwischen einigermaßen der Dunkelheit angepasst, und ich versuchte, ihm ins Gesicht zu schauen. Aber da gab es nichts zu sehen, da er eine Maske trug. Es konnte ein Amerikaner, es konnte aber auch ein Talib sein – es hätte jeder sein können.
Ohne ein Wort zu sagen, stürzte sich der Maskierte auf einen Bruder und zog diesem etwas über den Kopf. Mit einer einzigen Bewegung umfasste er dann seine Beute, hob sie vom Boden hoch und zerrte sie nach draußen. Bevor ich überhaupt reagieren konnte, war alles schon vorbei. Die übrigen Brüder und ich schauten uns in entsetztem Schweigen an. Das Ganze hatte nur einige wenige Sekunden gedauert.
Das Gewehrfeuer ging noch etwa eine Minute weiter und hörte dann auf. Eine gespenstische Stille senkte sich über das Lager. Wir blickten uns an, wussten aber nicht, was wir tun sollten. Plötzlich erschien ein Ausbilder in der Tür.
„Auf geht’s“, rief er. „Sie haben unsere Gewehre erbeutet. Wir müssen uns neue Waffen holen.“
Wir versuchten, möglichst weit unten zu bleiben, als wir danach quer durch das Lager und hinauf zur Waffenhöhle rannten. Als wir dort ankamen, waren fast alle Brüder des Lagers bereits da. Nur die Nachtwachen und ein paar andere Brüder, einschließlich Abu Bakrs, fehlten. Einige Männer schienen noch völlig benommen zu sein, andere rieben sich die Augen. Der Feind hatte ihnen während des Angriffs mit Blendgranaten die Sicht geraubt.
Ohne einen Laut und so schnell wir konnten, stiegen wir weiter in die Berge hinauf, um unsere nächsten Schritte zu planen. Wir konnten unmöglich noch bei Dunkelheit ins Lager zurückkehren und würden also bis zum Morgengrauen damit warten.
Am nächsten Morgen erfuhren wir, dass das Ganze nur eine Übung gewesen war. Die Ausführung eines solchen Überfalls war Teil unseres Trainings, und wir anderen sollten lernen, wie man sich verhalten musste, wenn das eigene Lager angegriffen wurde. Eine unserer Tschetschenengruppen hatte einige Tage vorher das Lager verlassen, um diesen Angriff vorzubereiten. Als sie fertig waren, hatten die Ausbilder
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