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Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story

Titel: Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Omar Nasiri
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seine sanfte Stimme, die die Worte rezitierte, die ich schon so oft gehört hatte, waren ungeheuer beruhigend.
    Nach einer Weile stand die Gruppe auf, da die Zeit zum Schlafengehen gekommen war. Der Mann beendete noch die Koranstelle, die er gerade angefangen hatte, schloss dann das Buch und zog seine Hand zurück. „Nein, bitte“, sagte ich ganz instinktiv. „Bitte bleib. Bitte bleibe noch und lege mir wieder deine Hand auf die Stirn. Das tut so gut.“Ich flehte ihn geradezu an. Während sich seine Freunde in ihre Schlafräume zurückzogen, setzte er sich tatsächlich wieder zu mir, legte seine Hand auf meine Stirn und begann, mir erneut aus dem Koran vorzulesen.
     
    Diese Freundlichkeit und diesen Gemeinschaftsgeist würde ich vermissen, nachdem ich Khaldan verlassen hatte. Dort waren wir alle Brüder und taten alles füreinander, was wir nur konnten. Es war einfach wundervoll, dass ich mir sicher sein konnte, dass jeder Bruder sein Leben für mich opfern würde, so wie auch ich es für ihn tun würde. Ich hatte mich noch niemals im Leben so geliebt und geborgen gefühlt.
    Ich wollte meinen Brüdern hier dieses Gefühl auf irgendeine Weise zurückgeben. Einmal gab ich Ibn Sheikh etwas Geld, damit dieser ein Schaf kaufte, das wir dann gemeinsam im Lager essen konnten. Ich bat ihn, niemandem zu sagen, woher dieses Schaf kam. Niemand sollte wissen, dass es von mir stammte. Als wir einige Tage später dieses Fleisch aßen, fand ich es wundervoll, die Brüder so glücklich zu sehen. Danach gab ich Ibn Sheikh, wann immer er es benötigte, Geld für alle möglichen Dinge: für Lebensmittel, Waffen und Munition und andere Vorräte.
    Im Sommer gingen wir alle zu einer Stelle im Fluss, wo dieser etwas breiter und ruhiger war, um dort zu schwimmen. Wir sahen dabei wohl ziemlich albern aus. Viele Brüder schwammen voll bekleidet, und die anderen mussten sich wenigstens vom Nabel bis zum Knie bedecken. Trotzdem liebte ich das Wasser immer noch wie damals als Kind in Belgien. Die anderen schauten zu mir auf, da ich so stark war und von Felsen springen konnte, die hoch über dem Fluss lagen.
    Alles, was wir in Khaldan taten, diente nur einem einzigen Zweck, nämlich der Vorbereitung auf den Dschihad. Selbst wenn wir schwammen, trainierten wir also für den Kampf. Ich war bei weitem der beste Schwimmer und gab immer etwas an, indem ich schwere Steine an der Stelle über den Fluss beförderte, wo er am tiefsten war. Die anderen versuchten es mir nachzutun, aber sie waren nicht stark genug und ließen die Gesteinsbrocken immer ins Wasser fallen, bevor sie die andere Seite erreicht hatten.
    Nach kurzer Zeit begannen sich die Brüder zu ärgern und versuchten, mich umzustoßen. Aber da ich schneller schwimmen konnte als sie, gelang es ihnen nie, mich einzuholen. Da hatte ein Tschetschene eine bessere Idee: Er tauchte ins Wasser und versuchte, mich von unten zu Fall zu bringen. Ich fühlte plötzlich seine Hand an meinem Knöchel und verlor dann das Gleichgewicht. Der Stein fiel in den Fluss, und mein Körper begann zu sinken.
    Das Ganze dauerte nur wenige Sekunden. Dabei erstaunte mich am meisten, wie vorsichtig und sanft dieser Bruder mich in den Fluss hinunterzog und dass er sofort mein Bein losließ, als mein Kopf unter Wasser sank. Er wollte mich auf keinen Fall verletzen. Er wollte mir nur zeigen, dass er einen Weg gefunden hatte, mich zu überlisten. Diese Rücksicht rührte mich zutiefst, vor allem wenn ich sie mit dem Verhalten meiner leiblichen Brüder verglich. Wenn ich mit diesen im Sommer in Marokko schwimmen ging, versuchten wir, uns gegenseitig unter Wasser zu ziehen und zu ertränken. Man hätte das fast für einen Kampf auf Leben und Tod halten können.
    In Khaldan waren wir keine Familie, das war mir nun endgültig klar. Tatsächlich waren wir etwas viel Besseres.

TSCHETSCHENIEN
    Ibn Sheikh war in jeder Hinsicht brillant. Er war ein Kommandeur im Krieg gegen die Russen gewesen, und er wusste über alles Bescheid, was mit Waffen und Kriegführung zu tun hatte. Zugleich war er aber auch ein Intellektueller. Es war offensichtlich, dass er viel gelesen und über vieles nachgedacht hatte. Kein anderer im Lager konnte sich so intelligent und eloquent ausdrücken. Außerdem verfügte er über ein außerordentliches Charisma – wenn er sprach, hörten alle Brüder gebannt zu.
    Während unserer abendlichen Diskussionen sprach Ibn Sheikh meist über den Dschihad und die Pflichten der Muslime überall auf der Welt. Er

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