Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story

Titel: Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Omar Nasiri
Vom Netzwerk:
mich danach ins Krankenhaus gebracht. Jetzt versuchte ich, mich genau daran zu erinnern, wie man mich dort behandelt hatte. Als Erstes hatten die Ärzte mir eine Tetanusspritze direkt in den Bauch gegeben. Also eilte ich jetzt hinüber zum Vorratsregal und holte das entsprechende Serum und eine Spritze. Dann injizierte ich dem kleinen Jungen das Tetanusserum in den Bauch, wie es die Ärzte damals bei mir getan hatten. Ich dachte eine Sekunde nach, dann wusste ich wieder, was als Nächstes zu tun war: Ich musste die Wunde reinigen. Ich holte etwas destilliertes Wasser und reinigte seine Kopfhaut, so gut es ging, von Blut und Schmutz.
    Als ich den Kopf des Jungen berührte, begann er zu schreien. Ich bat den Koch, dem älteren Bruder zu sagen, er möge ihn beruhigen, aber dieser hatte damit nicht den geringsten Erfolg. Ich musste dem Kleinen ein Schmerzmittel geben. Ich eilte wieder in die Station und griff mir im Regal eine Flasche Lidocain und eine Spritze. Ich hatte Lidocain schon zuvor bei einem Bruder angewendet, der einen schlimmen Hautausschlag hatte, aber ich hatte keine Ahnung, wie viel man einem Kind geben musste oder durfte.
    Ich wusste genauso wenig, ob man Lidocain überhaupt in eine offene Wunde spritzen durfte, aber ich musste einfach etwas tun. Der Junge schrie vor Schmerzen, und ich hatte noch nicht einmal begonnen, die Wunde zu nähen. Also injizierte ich eine kleine Menge Lidocain an einem Ende der Wunde direkt in den Kopf des Jungen. Ich wartete dann einige Sekunden, ob es eine negative Reaktion geben würde. Da dies nicht der Fall zu sein schien, injizierte ich noch etwas auf der anderen Seite.
    Nach einer weiteren Minute hörte der Junge zu schreien auf. Sein Kopf rollte zwar immer noch von einer Seite zur anderen, aber seine Augen wirkten nun eher etwas schläfrig, und sein Schluchzen hatte sich zu einem leisen Wimmern abgeschwächt.
    Ich legte den Jungen auf einen Tisch. Aus einem Vorratsschrank holte ich Nadel und Faden, wusste aber nicht, was ich jetzt damit anfangen sollte. Also holte ich mir ein Buch aus dem Regal, in dem dieser Vorgang beschrieben wurde. In diesem Buch gab es viele Abbildungen, unter anderem eine Reihe von Fotos, die die unterschiedlichen Schritte zeigten, wie man eine Wunde nähen musste. Ich legte das Buch vor mich neben den Jungen auf den Tisch und begann, diesen Instruktionen zu folgen.
    Zuerst versuchte ich es genauso zu machen, wie ich es auf den Bildern sah. Im Buch hieß es, dass man eine ganz bestimmte Art von Stichen verwenden sollte, damit später keine Narben zurückblieben. Aber mir gelangen diese Stiche einfach nicht und das Ganze dauerte auch viel zu lange. Also verwendete ich dann dieselben Stiche, mit denen ich früher meine Jeans geflickt hatte.
    Mir war unglaublich heiß. Draußen war es bitter kalt, aber von meiner Stirn tropfte der Schweiß herab. Ich bat den Koch, mir meine Augenbrauen mit einem Tuch abzuwischen. Ich wollte nicht, dass mein Schweiß die Wunden des Jungen infizierte oder mir in die Augen lief und die Sicht behinderte.
    Als der Afghane mir das Tuch an die Stirn presste, schoss mir ein seltsames Bild durch den Kopf. Es war eine Szene, die ich immer wieder in europäischen Fernsehsendungen gesehen hatte: Ein gutaussehender Arzt führt eine Operation durch. Um ihn herum stehen sexy Krankenschwestern, die ihm die Stirn abwischen und auf jede seiner Anweisungen reagieren. In diesem Moment war das eine direkt surreale Vorstellung. Der afghanische Koch ließ einen normalerweise nicht gerade an eine sexy Krankenschwester denken.
    Sekunden später begann sich der Junge erneut zu bewegen und laut zu schreien. Er wachte allmählich auf, und ich hatte erst die Hälfte der Wunde zugenäht. Er schlug wild um sich, und sein Bruder konnte ihn kaum noch bändigen. Ich nahm das Lidocain und füllte eine neue Spritze. Dieses Mal maß ich die Menge nicht genau ab. Ich achtete nicht mehr darauf, da ich allmählich in Panik geriet.
    Ich stach die Nadel wie beim ersten Mal in seine Kopfhaut. Nach einer Minute war der Junge außer Gefecht gesetzt. Er hörte auf zu schreien, und sein kleiner Körper rührte sich nicht mehr. Sein Kopf fiel zur Seite, und die Zunge trat ihm aus dem Mund.
    Sein Bruder schaute mich mit ängstlichen Augen an. Auch mir wurde jetzt angst und bange. Ich hatte dem Jungen wohl eine Überdosis gegeben, oder er hatte so viel Blut verloren, dass er jetzt ins Koma gefallen war. Ich beugte mich zu ihm hinunter, um herauszufinden, ob er noch

Weitere Kostenlose Bücher