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Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story

Titel: Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Omar Nasiri
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Präsident, und Ahmad Massoud, sein militärischer Führer, konnte sich, wenn auch mit Schwierigkeiten, noch in Kabul halten, das seit geraumer Zeit von seinen Gegnern belagert wurde. Allerdings konnten die Taliban mit Unterstützung des pakistanischen Geheimdienstes immer größere Gebiete des Landes besetzen und rückten immer weiter auf Kabul vor. Gulbuddin Hekmatyar und seine Hizb-i-Islami -Partei führten schon seit Jahrzehnten Krieg gegen Rabbani und Massoud, waren nun aber auch mit den Taliban in Kampf geraten.
    Niemand im Lager mochte die Taliban, auch wenn wir nicht offen darüber sprachen, da wir ja ermahnt worden waren, uns nicht in die Politik unseres Gastlandes einzumischen. Aber natürlich gab es da kurze Unterhaltungen, geflüsterte Bemerkungen und einzelne Meinungsäußerungen. Die Ausbilder und viele andere Brüder hatten an den Taliban dasselbe auszusetzen, was ich schon in Brüssel von Amin und Yasin gehört hatte: Ihre Auslegungen der Scharia gingen zu weit, und sie seien Neuerer.
    Ich persönlich hasste die Taliban von ganzem Herzen. Als ich in Belgien war, hatte ich viel über sie gelesen und Fernsehreportagen über sie gesehen. Sie waren brutal und völlig unzivilisiert. Ich war abgestoßen von ihren öffentlichen Hinrichtungen und der Art, wie sie das ganze Land in Angst und Schrecken versetzten. Außerdem hasste ich sie, weil sie die Feinde Massouds waren. Dieser war immer noch mein Held, ein edler Mudschahid, der sich selbst den Respekt seiner Feinde erworben hatte.
    Natürlich sprach ich mit niemandem über diese Dinge. Keiner von uns tat das. Die Taliban beherrschten inzwischen große Teile Afghanistans. Wir brauchten Afghanistan, das Land des Dschihad. Wir brauchten einen Ort, an dem wir bleiben und trainieren konnten.
     
    Als wir eines Tages nach dem Sonnenuntergangsgebet gerade die Moschee verließen, eilte ein Ausbilder auf uns zu und befahl uns, unsere Gewehre in der Moschee zu lassen. Wir taten, wie uns geheißen, und gingen dann in Richtung Kantine, wobei wir uns fragten, was eigentlich los war. Als wir uns dem Lagereingang näherten, sahen wir Ibn Sheikh mit einem Afghanen aus dem nächsten Dorf sprechen. Sie unterhielten sich ganz leise. Offensichtlich war irgendetwas nicht in Ordnung. Dann drehte sich Ibn Sheikh um und eilte zur Kantine hinüber.
    Plötzlich hörten wir Motorengeräusche. Ein geländegängiger Lastwagen kam ganz langsam den Berg herunter und näherte sich dem Lager. Ihm folgte eine kleine Gruppe von Männern, die zu Fuß gingen. Einige Minuten später hielt der Lastwagen vor dem Lagereingang an, und sechs Mann stiegen aus, die mit Kalaschnikows und RPGs bewaffnet waren. Die aus neun Mann bestehende Fußtruppe traf kurz darauf ein.
    Diese Männer ähnelten in keiner Weise den jungen Taliban, denen wir auf dem Weg ins Lager begegnet waren. Sie waren älter, wenigstens Ende zwanzig, und sie sahen aus, als ob sie gerade aus der Hölle kämen. Ihre Kleidung war verdreckt, und ihre runzligen Gesichter waren voller Schmutz und Staub. Ich fand sie vom ersten Moment an abstoßend.
    Es war eine seltsame Szene. Auf der einen Seite die Taliban, auf der anderen Seite wir, ohne jede Waffe, die wir notfalls gegen diese schlachterfahrenen Söldner hätten einsetzen können. Kein Bruder ließ sich aber seine Gefühle anmerken. Tatsächlich waren wir vor allem neugierig. Auch die Taliban wirkten nicht feindselig. Drei von ihnen lächelten uns an. Das waren offensichtlich die Anführer. Die anderen schauten allerdings recht finster drein.
    Als die Ausbilder heraustraten, um sie zu begrüßen, warf ich einen Blick in die Kantine. Ibn Sheikh bereitete dort in Windeseile alles für ihre Ankunft vor. Ich ging hinein und bot ihm meine Hilfe an. Er schaute mich dankbar an, und dann legten wir einen großen Schafwollteppich aus und deckten den Tisch fürs Abendessen.
    Als die Taliban in die Kantine einrückten, ging ich hinaus. Ibn Sheikh folgte mir. Er teilte uns mit, dass es an diesem Abend kein Essen geben würde. Wir blieben noch ein paar Augenblicke unschlüssig stehen, bevor wir uns ins Innere des Lagers zurückzogen. Kurz zuvor schaute ich noch einmal in die Kantine. Dort saß Ibn Sheikh zwischen den Taliban, direkt neben ihm saß Abu Bakr. Mir fiel auf, dass dieser seine Waffe bei sich hatte.
     
    An diesem Abend saßen wir noch lange vor der Moschee und warteten, was weiter geschehen würde. Ein Ausbilder erzählte uns, dass die Taliban vor sechs Monaten schon einmal ins Lager

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