Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
atmete. Dies war der Fall, und so setzte ich meine restlichen Stiche, so schnell ich konnte. Die ganze Zeit betete ich zu Gott, er möge den Jungen nicht sterben lassen.
Als ich fertig war, schaute ich den Kleinen noch einmal an. Aus seinem Gesicht war jede Farbe gewichen. Seine Augen standen jetzt ganz leicht offen, aber sie schienen ziellos umherzurollen. Ich säuberte und desinfizierte seine Kopfhaut mit Betadin und legte ihm dann einen Kopfverband an. Und dann wartete ich ab. Und betete.
Nach etwa fünfzehn Minuten wurde der Junge etwas wach. Er wirkte immer noch ziemlich schwach, und seine Augen richteten sich noch nicht auf etwas Bestimmtes. Aber er fing wieder an zu wimmern, was ich als gutes Zeichen auffasste. Ich rief seinen Bruder und den afghanischen Koch zu mir. Dann holte ich ein Fläschchen mit Antibiotika aus dem Regal und sagte dem Koch, dass der Junge sie zwei Wochen lang jeden Tag nehmen müsse und danach zur Untersuchung wieder hierherkommen solle. Der Koch übersetzte das dem älteren Bruder, der ernst nickte.
Wir warteten noch einige Stunden, bis der kleine Junge wieder kräftig genug war, um sich aufsetzen zu können. Sein Bruder nahm ihn dann auf den Arm und trug ihn aus der Krankenstation hinaus in die kalte Nacht. Mein Herz schlug zwar nicht mehr so rasend schnell wie zuvor, aber ich war immer noch sehr besorgt.
Als ich einige Minuten später die Kantine betrat, schaute mich Ibn Sheikh erwartungsvoll an. „Kommt er wieder in Ordnung?“, fragte er mich.
„Inshallah“, antwortete ich. So Gott will.
In den nächsten Tagen war ich so unruhig, wie nie zuvor in meinem Leben. Ich hatte schreckliche Angst, dass ich den Jungen umgebracht haben könnte. Er war so winzig und verletzlich gewesen. Was hatte ich getan?
Als ich dann eines Tages in der Krankenstation saß, hüpfte plötzlich der Junge zusammen mit seinem Bruder herein. Seit der Operation waren noch nicht einmal zwei Wochen vergangen. Ich ließ den afghanischen Koch zum Übersetzen kommen. Der ältere Bruder erzählte mir, dass der Kleine wieder in Ordnung sei. Er schlafe und esse gut und scheine keine Probleme zu haben.
Als ich den Verband abnahm, sah ich, dass die Wunde gut verheilte. Ich desinfizierte eine Schere und zog ganz sanft die Fäden. Es schien ihm überhaupt nicht wehzutun. Als ich fertig war, legte ich ihm einen neuen Verband an. Dann bat ich sie, bald zu einer letzten Untersuchung wiederzukommen. Sie lächelten und rannten aus der Krankenstation über das freie Feld zurück in ihr Dorf. Ich konnte sie lachen hören, als sie in der Dämmerung verschwanden. Dies war einer der glücklichsten Tage meines Lebens.
Die Tschetschenen verließen einige Wochen danach das Lager. Ich war an einem Nachmittag mit Abu Hamam auf den Übungsplatz gegangen, um ein Spezialtraining zu absolvieren. Als ich zurückkam, waren die Tschetschenen weg. Ich konnte mich nicht einmal von ihnen verabschieden. Ich frage mich manchmal, ob einer von ihnen noch am Leben ist.
OSAMA
Eines Tages kamen zwei kleine Jungen ins Lager. Sie waren sogar noch jünger als der jüngste Tschetschene in meiner Gruppe oder das überaus ernsthafte tadschikische Kind. Der Ältere von beiden war höchstens zwölf, der Jüngere etwa zehn Jahre alt.
Ibn Sheikh erhob sich an jenem Abend in der Moschee, um die Neulinge vorzustellen. „Bitte begrüßt eure neuen Brüder. Dies ist Hamza“, sagte er und zeigte dabei auf den Älteren. „Und dies ist Osama.“
Ich musterte die beiden und erkannte sie sofort: Es waren die beiden, die meinen Führer in der Moschee von Hayatabad in Peschawar angesprochen hatten. Mein Begleiter hatte sie damals scharf zurechtgewiesen, als sie ihn gefragt hatten, ob er mich in die Madrasat mitnehmen werde.
Wir begrüßten Hamza und Osama, und an jenem Abend fiel mir auf, dass diese Begrüßung noch feierlicher ausfiel als sonst. Die Jungen begannen sehr früh mit ihrer Ausbildung, und die Brüder waren beeindruckt.
Hamza und Osama wurden, im Unterschied zu den anderen Brüdern, keiner festen Gruppe zugewiesen. Ihre Nachmittage verbrachten sie meist mit einem Ausbilder, der sie in den Umgang mit Schusswaffen einwies. Aber manchmal leisteten sie mir Gesellschaft. Ich hatte meine Ausbildung zu diesem Zeitpunkt bereits beendet, manchmal unterwies mich Abu Hamam aber noch zu speziellen Themen, und meist hatte das mit Sprengstoff zu tun. Ich sprach Englisch mit den Jungen, und mir fiel auf, dass beide einen starken amerikanischen Akzent
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