Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
ein Mobiltelefon besaß. Also war mir sofort klar, dass dieser Mann Geld hatte.
Yasin war ein gutes Stück kleiner als Amin, sah aber sehr athletisch aus. Yasin stand Amin deutlich näher als die anderen Männer. Die beiden saßen einen großen Teil der Zeit beisammen und unterhielten sich dabei so leise, dass keiner der anderen mithören konnte. Einmal sah ich, wie Yasin Geld an Amin übergab.
Zwei Dinge verblüfften mich an diesen Männern. Sie hatten beide tiefdunkle Ringe unter den Augen, und beide hatten einen äußerst merkwürdigen Gang. Sie bewegten sich so anmutig – wie Tänzer oder Katzen. Noch nie zuvor hatte ich jemanden so gehen sehen, und auf mich wirkte das seltsam. Erst sehr viel später sollte ich den Grund für ihre Erscheinung verstehen.
An jenem Abend sagte ich nicht sehr viel. Ich wusste, dass diese Männer etwas Geheimes, möglicherweise sogar Gesetzwidriges taten, aber an jenem ersten Abend war ich mir nicht sicher, was genau das war. Natürlich wusste ich, dass es etwas mit dem Bürgerkrieg in Algerien zu tun hatte. Es war Ende 1993. Zwei Jahre zuvor hatte die Militärregierung die Ergebnisse des ersten Wahlgangs der Parlamentswahlen annulliert und den zweiten Wahlgang abgesagt, als sich ein Sieg der Islamischen Heilsfront (FIS - Front Islamique du Salut ) abzeichnete. Bald darauf trat die GIA ( Groupe Islamique Armé ) auf den Plan und kämpfte nicht nur gegen die Militärdiktatur, sondern auch gegen die FIS. Die GIA wollte gar keine Neuwahlen – sie strebte eine Theokratie an.
Amin und Yasin sprachen dieselbe Sprache des religiösen Fanatismus wie mein Bruder. Aber ihre Stimmen blieben immer ruhig – sie klangen fast besänftigend -, wenn sie vom Dschihad und von der Vernichtung der Ungläubigen redeten. Meist sprachen sie jedoch über logistische Fragen, über Autos, die von Frankreich nach Deutschland und von Deutschland zurück nach Frankreich fuhren. Welche Autos hatten Probleme mit dem Motor, um solche Fragen ging es.
Mich interessierte nichts davon allzu sehr, also stand ich auf und ging zu Bett.
Amin und Yasin kamen in der darauffolgenden Woche wieder. Diesmal brachten sie Kartons mit, die mit Rundschreiben und Briefumschlägen vollgepackt waren. Hakim und ich setzten uns mit den beiden zusammen, und gemeinsam machten wir die Briefe versandfertig. Ich sah, dass sie an Empfänger in aller Welt adressiert waren – in Kanada, den USA, in England, Pakistan, Russland, China, Frankreich, Spanien, den Niederlanden, Schweden, Dänemark, Saudi-Arabien. Ich warf einen kurzen Blick auf den Rundbrief und sah, dass er sich mit der Situation in Algerien beschäftigte, aber da der Text zum größten Teil in arabischer Sprache gehalten war, verstand ich nicht sehr viel davon.
Als wir fertig waren, setzten wir uns ins Auto und verteilten die Umschläge auf Briefkästen im gesamten Stadtgebiet. Ein paar Briefe hier, ein paar dort. Insgesamt müssen das über tausend Kuverts gewesen sein.
Eine Woche später erschienen Amin und Yasin wieder, diesmal morgens. Ich war ins Erdgeschoss hinuntergegangen, um zu frühstücken, und hörte, wie sich die beiden im Wohnzimmer mit Hakim unterhielten. Es war von Kalaschnikows die Rede. Ich spitzte die Ohren und hörte ganz genau zu. Sie sprachen über Munition. Sie brauchten Geschosse für Kalaschnikows.
„In Belgien bekommen wir sie nicht“, hörte ich Amin sagen. „In Deutschland gibt es genug davon, aber dort kosten sie zu viel.“
Ich ging ins Wohnzimmer und hörte noch genauer zu. Durch die Deutschen, die mir Haschisch im Austausch für Gewehre abzukaufen versucht hatten, wusste ich um den Waffenhandel in Europa. Ich wusste, dass Deutschland mit Waffen aus sowjetischen Beständen überschwemmt worden war. Ich wusste außerdem, dass ein Waffenschmuggler beim Überqueren einer Staatsgrenze jederzeit verhaftet werden konnte. Und jedes Risiko ist mit einem Preis verbunden. In diesem Fall war der Preis zu hoch. Sie zahlten dreizehn Francs für jedes Geschoss.
Ich spürte sofort, dass sich hier für mich die Chance auftat, Geld zu verdienen. Deshalb stieg ich in dieses Gespräch ein. „Vielleicht kann ich euch diese Geschosse besorgen“, sagte ich. „Wie viel wollt ihr dafür zahlen?“
Die drei amüsierten sich über diesen Vorschlag. „Du bist eben erst hier angekommen“, sagte Hakim. „Und du warst zehn Jahre weg. Du hast nicht die geringste Ahnung, wie so etwas gemacht wird.“
Natürlich wusste ich, wie so etwas funktioniert. Ich hatte
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