Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
sah ich mir einen Film an, der einen Mann mit langem Bart aufrecht in einem Panzer stehend zeigte. Später erfuhr ich dann, dass er bei einem Gefecht in Kabul getötet worden war, aber in diesem Film sah er einfach großartig aus. An seinem Gesicht konnte ich ablesen, wie sehr er seiner Sache und seinem Glauben ergeben war. „Takbir! Allahu Akbar!“, rief er. „Allahu Akbar!“
Und auch das Land war wunderschön. Nie zuvor hatte ich eine Landschaft gesehen, die diesen außergewöhnlich dunklen Bergen glich. Als ich mir immer mehr Filme ansah, begann ich das Bedürfnis, dieses Land zu verteidigen, körperlich zu empfinden.
In einem Film sah man die Mudschahidin hoch über einem Tal, durch das sich ein sowjetischer Konvoi schlängelte, Ausschau halten. Plötzlich gab es eine Explosion. Dann noch eine. Und noch eine. Die sowjetischen Panzer flogen einer nach dem anderen in die Luft, Rauch und Flammen stiegen auf. Der Film musste von einem der Mudschahidin oder von jemandem in ihrer Begleitung aufgenommen worden sein, denn ich sah das gesamte Geschehen aus ihrer Perspektive. Von der hoch auf dem Berg gelegenen Stellung sah ich Soldaten aus den Panzern taumeln und zu Boden stürzen. Dann rannten wir plötzlich den Berg hinunter. Wenige Augenblicke später fielen die Mudschahidin über die Russen her. Ein Gewehrschuss war zu hören, ein Soldat fiel zu Boden. Und noch einer. Bumm. Bumm. Bumm. Aber ein paar Soldaten lebten noch. Ich sah, wie ein Mudschahid den Kopf eines Russen anhob, um den Hals freizulegen. Ein zweiter Angreifer erhob über dem Gefangenen ein Schwert. Dann wurde der Film schwarz. Nur eine Sekunde lang. Als er weiterlief, sah ich den leblosen Körper des Soldaten, und dort, wo der Kopf hätte sein müssen, hatten die Zensoren einen schwarzen Punkt eingefügt.
Ich lernte viel über die politische Situation in Afghanistan. Ich sah zahllose Interviews mit russischen Soldaten, die von Fronteinsätzen zurückkehrten. Von diesen Männern hörte ich Berichte über Ahmad Shah Massoud und Gulbuddin Hekmatyar, die in den achtziger Jahren einen harten Kampf gegen die Sowjets führten. Die sowjetischen Frontheimkehrer sprachen von ihrer großen Verachtung für Hekmatyar. Sie hielten ihn für einen Irren. Er tötete unterschiedslos, rivalisierende muslimische Gruppen ebenso wie sowjetische Soldaten. Doch sie bewunderten Massoud, den „Löwen des Pandschirtals“. Sie respektierten seine Tapferkeit und seine scharfe Intelligenz.
Ich wusste also bereits sehr viel über Afghanistan, als Hakim 1993 nach Marokko kam. Zu jener Zeit war in Afghanistan die Hölle los. Die Rote Armee hatte sich zurückgezogen. Die Warlords bekämpften sich gegenseitig, denn jeder von ihnen wollte das Land beherrschen, und Muslime töteten Muslime. Hekmatyar versuchte seine Macht zu festigen, er zog einen Belagerungsring um Kabul und tötete Zehntausende von Zivilisten.
Hakim versuchte mich davon zu überzeugen, dass Hekmatyar ein frommer Muslim sei und einen wahren Dschihad führe. Damit war ich überhaupt nicht einverstanden. In meinen Augen war sein Verhalten eine Schande. Die Mudschahidin, die ich gesehen hatte, hatten Invasoren getötet, Ungläubige, keine muslimischen Glaubensbrüder. Hakim und ich stritten uns oft über dieses Thema.
In diesen Wochen, die wir in Tanger verbrachten, geriet ich mit Hakim häufig aneinander, ganz so wie früher. Aber diesmal wollten wir beide etwas vom anderen. Er wollte, dass ich mir seine fundamentalistischen Überzeugungen zu eigen machte, und ich wollte von ihm nach Belgien mitgenommen und bei der Arbeitssuche unterstützt werden. Also taten wir so, als würden wir miteinander auskommen.
Eines Tages fragte er mich: „Was willst du mit deinem Leben anfangen, Omar?“
„Ich will nach Bosnien gehen und mich dem Dschihad anschließen. “Ich wusste, dass Hakim so etwas hören wollte, aber es war zugleich auch vollkommen wahr. Seit ich in Paris diese Filme gesehen hatte, wollte ich mich den Mudschahidin anschließen. Ich wollte etwas Vernünftiges mit meinem Leben anfangen, und Bosnien schien mir der richtige Ort für einen solchen Vorsatz zu sein. Ich hatte von den Bosniern gelesen und auch Bilder von ihnen gesehen. Ich identifizierte mich sehr stark mit diesen Menschen, vielleicht, weil sie so europäisch aussahen. In meinem Denken war ich in vielerlei Hinsicht nach wie vor ein europäischer Muslim.
„Das ist nicht so einfach“, erwiderte Hakim. „Du wirst noch einige Prüfungen auf
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