Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
Neuanfang.“
An diesem Tag unterhielten wir uns mehrere Stunden lang. Daniel war ein interessanter Mann. Er wusste sehr viel über Politik, wenn auch nicht unbedingt über den Islam. Er stellte mir auch Fragen zu meinem Lebenslauf. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass ich mehr für ihn war als nur eine kleine Schachfigur. Unsere Beziehung war danach viel unkomplizierter.
DICKER FISCH
Ich war jetzt häufiger mit Khaled und Samir zusammen. Durch die Erwähnung von Amins und Yasins Namen hatte ich mich ihnen gegenüber als GIA-Insider ausgewiesen, und im Gegenzug unterhielten sie sich offen mit mir. Den Großteil der Unterhaltung bestritt jedoch Khaled. Samir verhielt sich im Umgang mit seinem dominanten Freund sehr ruhig und unterwürfig.
Schon bald erzählte mir Khaled, dass ihn die französische Polizei nach den Bombenanschlägen des Jahres 1995 gesucht habe. Er habe sich deshalb nach Deutschland abgesetzt und eine Zeitlang in Wuppertal gelebt. Aber er sagte, dort habe er sich auch nicht sicher gefühlt und sei aus diesem Grund nach England weitergezogen.
Khaled sagte mir eines Tages, einige Freunde von ihm würden aus Deutschland zu einem Besuch nach London kommen und zum Freitagsgebet im Four Feathers vorbeischauen. Sie waren aber noch nicht eingetroffen, als der Gottesdienst begann, deshalb setzten sich Khaled, Samir und ich, um Abu Walid zuzuhören.
Nach ein paar Minuten bemerkte ich, wie Khaled sich in Richtung der Sporthallentür umsah. Ich tat es ihm gleich und sah drei Männer im Eingang stehen. Mir lief es kalt den Rücken hinunter: Einen dieser drei Männer kannte ich. Doch obwohl mir klar war, dass ich ihn kannte, fiel mir der Name nicht ein.
Khaled und Samir standen auf und gingen zu ihren Freunden hinüber, während ich nur diesen einen Mann anstarrte. Er war todschick gekleidet und trug eine dunkle Lederjacke, Jeans und Sportschuhe. Mir fiel immer noch nicht ein, woher ich ihn kannte, aber dass ich ihm schon einmal begegnet war, stand außer Zweifel.
An dem Mann war etwas Gefährliches – das spürte ich instinktiv. Während die Predigt noch andauerte, überlegte ich fieberhaft, wer er war. Ich war der Lösung so nahe und kam dennoch nicht darauf. Aber ich wusste, dass dieser Mann aus irgendeinem Grund wichtig war – und ich am besten Abstand zu ihm hielt.
Als der Gottesdienst beendet war, eilte ich schnurstracks in Richtung Ausgang. Beim Hinausgehen kam ich an Khaled und Samir vorbei und verabschiedete mich hastig. Dabei warf ich einen letzten Blick auf den Mann und trat auf die Straße hinaus.
Und dann tat ich etwas, was mir Daniel strikt untersagt hatte: Ich rief ihn mit meinem Mobiltelefon an, direkt vom Four Feathers aus. Daniel hatte mich vor so etwas gewarnt, weil ich damit seiner Ansicht nach Misstrauen wecken könnte, aber mit der Information zu diesem Mann konnte ich nicht bis zu unserem nachmittäglichen Treffen warten. Ich hinterließ eine Nachricht für Daniel, und er rief sofort zurück.
„Daniel, hier draußen im Four Feathers ist jemand, der euch interessieren dürfte. Deine Leute müssen sich sofort um ihn kümmern.“Ich hatte so viele Fotos gesehen, die unmittelbar vor dieser Einrichtung aufgenommen worden waren, also mussten auch diesmal Fotografen in unmittelbarer Nähe sein.
„Wer ist es?“, fragte Daniel.
„Ich kann es nicht genau sagen“, musste ich zugeben. „Aber ich kenne den Mann von früher, und ich weiß, das ist ein ganz dicker Fisch.“
Ich traf Daniel und Gilles zwei Stunden später. Sie wirkten aufgeregt, als ich den Raum betrat. Besonders Gilles war regelrecht außer sich.
„Weißt du, wer das war?“, fragte er.
„Nein“, antwortete ich. Ich war immer noch nicht draufgekommen. „Aber ich glaube, dass er wichtig ist.“
Gilles grinste. „Ja, du hast völlig Recht. Das war Ali Touchent – Tarek aus Brüssel. Der Mann, der für die Attentate in Frankreich letztes Jahr verantwortlich ist.“
Ich war sprachlos. Ich konnte nicht glauben, dass ich den Mann nicht erkannt hatte. In Brüssel hatten wir wochenlang unter einem Dach gewohnt.
„Seid ihr sicher?“
„Wir sind absolut sicher“, sagte Gilles. „Unsere Fotografen haben ihn abgelichtet.“
Ich dachte noch einmal über die Sache nach. Tarek hatte sehr sportlich ausgesehen, als ich ihn kennengelernt hatte, aber dieser Mann hier hatte ein paar Kilo mehr. Es war denkbar, dass Tarek zugenommen hatte und dies auch an seinem Gesicht abzulesen war. Auch sein Haar war länger,
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