Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
Alexandre von Khaleds Vorschlag berichtete, wurden sie beide blass. Danach verboten sie mir, jemals an irgendeinem physischen Training der Männer von Finsbury Park teilzunehmen. Es sei einem Agenten verboten, seine Fähigkeiten mit Terroristen zu teilen. Wenn Khaled mir noch einmal so etwas vorschlagen würde, sollte ich ihm mitteilen, dass ich an diesem Termin dringend etwas anderes zu erledigen hätte.
Als ich mich an einem Freitag wieder einmal vor der Finsbury-Park-Moschee mit Khaled traf, war Samir nicht mitgekommen. Als ich nach ihm fragte, wurde Khaled wütend. Er erzählte mir, Samir habe Arbeit gefunden und sei deshalb nach Swindon gezogen. Er war zornig, dass sich Samir für ein bequemes Leben entschieden hatte, anstatt für die muslimische Umma zu kämpfen.
Als ich Mark von Samir erzählte, lächelte er.
„Wusstest du, dass Samir ein Homosexueller ist?“, fragte er. In seinen Augen war ein verdächtiges Schimmern zu erkennen. „Der Islam mag Homosexuelle ja nicht so besonders.“
Da wusste ich, was geschehen war: Der Geheimdienst hatte Samir erpresst, und jetzt arbeitete er für sie.
An einem Freitag forderten mich Mark und Alexandre auf, die Finsbury-Park-Moschee nicht zu besuchen. Sie gaben mir keine weiteren Auskünfte, nur, dass ich ihr fernbleiben solle. Zwei Tage später erzählte mir Khaled, dass die Polizei einige Häuser in verschiedenen Londoner Stadtteilen gestürmt und einige Brüder verhaftet habe. Danach hörte ich nie mehr etwas davon.
AFGHANISTAN
Ich war nun schon länger als ein Jahr in London, und ich langweilte mich. Ich hatte die Nase voll. In dieser ganzen Zeit tat ich Woche für Woche dasselbe – Finsbury Park, Fotos, Finsbury Park -, und es schien nirgendwohin zu führen. Und ich hatte mich in Fatima verliebt, die ich nur selten sehen konnte, da sie ja in Deutschland lebte.
Ich bekam langsam Angst, dass mein Leben immer so weitergehen könnte, wenn ich nicht von mir aus einen Schlussstrich ziehen würde. Bei einem Treffen mit Mark und Alexandre bestand ich deshalb darauf, mit ihnen über meinen Ausstieg zu reden. Beide erklärten mir, dass eine solche Frage ihre Kompetenzen übersteige, versicherten mir aber gleichzeitig, dass sich in nächster Zeit jemand mit mir in Verbindung setzen würde. Ich sagte ihnen dann noch, dass ich meine Geheimdienstarbeit einstellen würde, bis ich mit einem Zuständigen gesprochen hätte.
Drei Tage später rief mich Gilles an. Ich hatte seit dem Abend im River Café nicht mehr mit ihm gesprochen. Wir vereinbarten, dass er, ich und Mark uns einige Tage später in London treffen würden. Bei diesem Treffen fragte mich Gilles, was ich denn wolle. Ich antwortete ihm, dass es noch immer dieselben Dinge seien, um die ich ihn bei unserer ersten Begegnung in Brüssel gebeten hatte: eine neue Identität, ein Pass und Unterstützung bei der Jobsuche. Ich erklärte ihm, dass ich heiraten und deshalb meine Karriere als Spion beenden wolle.
Gilles und Mark schauten sich an, und dann begann Gilles zu sprechen. „Wir haben noch nicht mit dir darüber geredet“, sagte er, „aber wir überlegen uns, dich wieder nach Afghanistan zu schicken.“
Afghanistan. Diese Idee gefiel mir. Das wäre weit interessanter als meine jetzigen Tätigkeiten. Und vielleicht würden sie mir dieses Mal ein geeignetes Ziel geben. Dort konnte ich wirklich etwas erreichen.
„Wann?“, fragte ich zurück.
Ich bemerkte, wie Gilles und Mark sich ganz kurz anschauten. „Vielleicht nächstes Jahr?“, sagte Gilles.
Ich war mir in diesem Augenblick ziemlich sicher, dass diese Afghanistan-Reise niemals stattfinden würde.
Drei Tage später hatte ich in Paris ein weiteres Treffen mit Gilles, um über meinen Ausstieg zu sprechen.
„Ich werde in Afghanistan ein Jahr bleiben“, sagte ich ihm. „Nicht länger. Wenn ich zurückkomme, möchte ich den Abschied nehmen und Fatima heiraten und mit ihr in Deutschland leben.“
Gilles schwieg ein paar Sekunden, dann antwortete er: „Das liegt nicht in meiner Machtbefugnis. Aber ich möchte, dass du all das morgen mit meinem Chef diskutierst.“
Nie zuvor hatte Gilles seinen Vorgesetzten erwähnt.
„Ich will nicht mit deinem Chef sprechen“, sagte ich. „Ich will mit dir sprechen. Du bist derjenige, der mir versprochen hat, auf mich achtzugeben, damals in Brüssel, als ich das erste Mal zu dir gekommen bin.“
Gilles schaute mich nicht an – er schüttelte nur den Kopf. Ich sah, dass auch er nicht glücklich war.
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