Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
und Gilles selten von den Informationen überrascht waren, die ich ihnen aus der Finsbury-Park-Moschee beschaffte. Dies vergrößerte meine Frustration noch weiter. Warum sollte ich Abu Hamza beschatten, wenn sie schon längst andere auf ihn angesetzt hatten?
In London blieb ich immer am Rand der Ereignisse, und das war hart für mich. In Brüssel hatte ich direkten Anteil an den Operationen der GIA gehabt und konnte Gilles deshalb etwas anbieten, das er von niemand anderem bekommen konnte. Dies galt umso mehr für meinen Aufenthalt in Afghanistan. In London war ich nur einer von vielen Leuten, die Ausschau hielten und darauf warteten, dass endlich etwas – irgendetwas – passieren würde.
Eines Tages ging ich zu einem kleinen Gegenangriff über. Als mich Daniel fragte, ob ich in dieser Woche in Finsbury Park jemand Verdächtigen gesehen hätte, erzählte ich ihm, dass mir ein Mann aufgefallen sei, der offensichtlich für den MI5 arbeiten würde. Daniel schaute mich fassungslos an. „Wie kommst du denn darauf?“, fragte er mich.
Ich sagte ihm daraufhin die Wahrheit: Man könne so etwas unmöglich erklären. Es seien nur kleine Zeichen, die Anspannung in seinem Gesicht, die Art, wie er die Augen bewege, oder der leicht zögernde Schritt.
Daniel fixierte mich genau. „Wie sieht dieser Mann aus?“
„Das muss ich dir doch nicht erklären“, antwortete ich ihm mit einem Lächeln.
Daniel atmete scharf ein. Ich merkte, dass er wütend war. Er näherte sein Gesicht dem meinen. „Spiel nicht diese Spielchen mit mir“, zischte er mich an. „Sag mir endlich, wie er aussieht. Und zwar jetzt gleich!“
„Das kann ich dir nicht jetzt gleich sagen. Ich muss noch einmal dorthin gehen und ihn mir genau anschauen. Ich sehe jede Woche Hunderte von Gesichtern.“
Ich wusste, dass Daniel damit nicht zufrieden war, aber da war nichts, was er hätte tun können.
„In Ordnung“, sagte er nur. „Ich möchte, dass du dich auf diesen Mann konzentrierst und uns nächste Woche eine detaillierte Beschreibung von ihm lieferst.“
Am nächsten Freitag wählte ich den Versammlungsteilnehmer aus, der am unschuldigsten aussah, und prägte mir dessen Merkmale ein. Es war ein marokkanischer Einwanderer, der bestimmt nichts mit dem islamischen Radikalismus zu tun hatte. Als ich ihn dann Daniel beschrieb, war dieser ungeheuer erleichtert.
Ich wusste nicht, wer die Spione in Finsbury Park waren. Ich wusste nur, dass es sie gab. Und ich wollte Daniel und Gilles zeigen, dass sie mich nicht für dumm verkaufen konnten.
JEMEN
Nach meinen ersten Monaten in London begannen Daniel, Gilles und ich uns in Wohnungen und nicht mehr in Hotels zu treffen. Es gab mehrere Wohnungen, zwischen denen wir hin- und herwechselten. Eine lag in der Nähe von Elephant and Castle, eine andere direkt neben dem Regent’s Park und eine dritte in der Londoner Stadtmitte. Sie waren alle nett eingerichtet, aber völlig anonym. Nur gelegentlich bemerkte ich im Badezimmer einen Lippenstift oder eine Rasierwasserflasche.
Eines Tages brachten Daniel und Gilles zu einem dieser Treffen einen dritten Mann mit. Er war jung, sicherlich noch keine fünfundzwanzig Jahre alt. Gilles stellte ihn unter dem Namen Alexandre vor. Gilles erklärte mir, dass Alexandre von nun an seinen Platz einnehmen werde. Ich war überrascht. Ich arbeitete nun bereits seit Jahren mit Gilles zusammen und hatte nie daran gedacht, dass er eines Tages nicht mehr für mich zuständig sein könnte. Alexandre erschien mir zuerst etwas schüchtern und zurückhaltend. Ich führte dies auf sein Alter und seine mangelnde Berufserfahrung zurück.
Einige Wochen später verabschiedete sich dann auch Daniel von mir. Seinen Platz nahm nun ein Mann mittleren Alters namens Mark ein. Mark war ruhig, aber nicht in der Art, wie Alexandre es war. Er war älter und schien hartgesotten zu sein. Daniel und Mark nahmen noch einige Wochen lang gemeinsam an den Sitzungen teil, bevor Mark endgültig die Verantwortung übernahm.
Nach dem letzten Treffen, an dem er teilnahm, lud uns Daniel alle – mich, Mark, Gilles und Alexandre – zu einem unglaublichen Dinner ins River Café ein. Mark brachte an diesem Abend eine sehr junge Frau namens Penny mit. Er machte uns miteinander bekannt und erzählte mir, dass Penny für ihn arbeite und sie sich beide die Verantwortlichkeit für mich teilen würden.
Im Verlauf von nur ein paar Wochen hatte ich drei neue Führungsleute gewonnen und zwei alte verloren. Später sollte ich
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