Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
Marionettenregierung unter Mohammed Nadschibullah hielt sich nur bis 1992, sie wurde von den verschiedenen Mudschahidin-Gruppen gestürzt, die anschließend untereinander um die Macht kämpften, und lokale und regionale Warlords übernahmen die Kontrolle über ihren Teil des Landes.
Das Umfeld eines gescheiterten Staatswesens war ideal für die Errichtung internationaler Ausbildungslager. Einige dieser Lager wurden von örtlichen Warlords betrieben, zu denen etwa Gulbuddin Hektmatyar und Abd al-Rabb al-Rasul Sayyaf gehörten, und häufig von Unterstützern des Dschihad aus der Region des Persischen Golfs finanziert. Bin Laden verließ zwar Afghanistan nach dem Ende des Kampfes gegen die Sowjets (zum Teil aus Enttäuschung über die Fraktionskämpfe) und ließ sich Anfang der neunziger Jahre im Sudan nieder, aber er finanzierte weiterhin Unterkünfte und Ausbildungsstätten in Afghanistan, und nach Nasiris Angaben kam er auch für die Verpflegung eines der Lager auf, in dem er sich aufhielt.
Der pakistanische Geheimdienst, die Inter-Services Intelligence Agency (ISI), war ebenfalls in die Unterstützung einiger afghanischer Lager verstrickt. Die Vereinigten Staaten setzten Pakistan ab 1993 wegen der Ausbildungslager unter Druck, weil die Besorgnisse angesichts der dschihadistischen Aktivitäten in Kaschmir wuchsen. Washington ging bei seinen Drohungen sogar so weit, dass man Pakistan gegebenenfalls auf die von den USA herausgegebene Liste der staatlichen Unterstützer des Terrorismus setzen werde. Viele der Lager waren im von Pakistan beherrschten Teil Kaschmirs angesiedelt, scheinen aber aufgrund der US-Intervention geschlossen worden zu sein. Nach 1993 wurden die Ausbildungslager nach Afghanistan verlegt. Schon bald begann die ISI, die Taliban als Stellvertreterstreitmacht zu fördern, im Interesse der Sicherheit Pakistans und zur Stabilisierung Afghanistans.
Nasiris Aufenthalt in zwei Ausbildungslagern in den Jahren 1995 und 1996 fiel zeitlich mit dem raschen Aufstieg der Taliban zusammen. In seiner Erinnerung waren die Beziehungen zwischen den Arabern, die in den Lagern das Sagen hatten, und den Afghanen im Allgemeinen (und insbesondere zu den Taliban) außerordentlich angespannt. Die Araber verdächtigten die Taliban, sie wollten die Lager schließen und sich deren Waffenbestände aneignen. Die Taliban wurden außerdem als gefährliche religiöse Erneuerer wahrgenommen. Das für beide Seiten vorteilhafte Bündnis sollte erst später zustande kommen.
Das Lager Khaldan war die Eingangsstufe, die Nasiri zunächst durchlief. Seiner Erzählung nach waren noch Mitte der neunziger Jahre das Spektrum der vertretenen Nationen wie auch die Ausbildungsdisziplin bemerkenswert und sehr viel größer als bisher vermutet. Gruppen aus Algerien, Tschetschenien, Kaschmir, Kirgisien, von den Philippinen, aus Tadschikistan und Usbekistan durchliefen eine militärische Ausbildung, die ihnen nach der Rückkehr in ihre Heimatländer dann im Kampf zugutekam. Eine große Zahl von Arabern, vor allem aus Saudi-Arabien, Ägypten, Jordanien und dem Jemen, durchlief ebenso die Lager wie eine Reihe von Einzelpersonen aus Europa, Nordafrika und anderen Teilen der Welt, die am Dschihad teilnehmen wollten. Der Krieg in Bosnien-Herzegowina, in dem viele dieser Männer zu Beginn der neunziger Jahre mitgekämpft hatten, ging zu Ende, aber Tschetschenien blieb ein unverändert populäres Ziel. Diese beiden Schlüsselkonflikte der neunziger Jahre standen im Brennpunkt der Radikalisierung, des Kampftrainings und der Bildung von Netzwerken militanter Kämpfer, deren wahre Ausmaße zum damaligen Zeitpunkt nicht erkannt wurden. Wie der afghanische Konflikt der achtziger Jahre lieferten sie außerdem die Mittel, über die verschiedene Gruppen und Einzelpersonen zusammenfanden und Verbindungen knüpften.
Die Ausbildung, die Nasiri in Khaldan absolvierte, war sehr gut organisiert und umfassend. In diesen Lagern herrschte eine strenge Disziplin, unter den Teilnehmern entwickelte sich aber auch ein Gefühl der Kameradschaft. Die Rekruten wurden mit einem ganzen Arsenal von Waffen und Sprengstoffen vertraut gemacht, außerdem lernten sie, wie man Spezialaufträge ausführte: Mordanschläge, Bombenattentate, Entführungen, Guerillakrieg in den Städten. Ein großer Teil des Lernstoffes entstammte US-Ausbildungshandbüchern, die während des Krieges gegen die Sowjets zur Verfügung gestellt worden waren.
Die Rekruten in den Lagern verbrachten fast genauso
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