Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
Als wir fertig waren, ging ich nach draußen, setzte mich auf einen großen Stein und las in meinem Koran.
Nach etwa zwanzig Minuten hörte ich hinter mir eine Stimme. „Wer, glaubst du, ist Ibn Sheikh?“
Ich drehte mich um. Es war Abu Anas. Er deutete auf die Straße Richtung Flüchtlingslager. Von dort näherten sich zwei Männer, der eine klein, der andere groß.
„Ich habe keine Ahnung.“
Abu Anas setzte sich neben mich und lächelte. „Bruder, rate wenigstens.“
Ich schaute die beiden Männer an. Der kleine sah ungeheuer fit aus. Trotz der weiten Kleidung, die er trug, war zu sehen, dass er nur aus Muskeln bestand. Seine Haut war dunkel und von der Sonne ausgetrocknet. Der andere Mann war ziemlich dünn und schien eher ein Geistesmensch zu sein. Es ging fast etwas Majestätisches von ihm aus. Er zeigte den Stolz eines Massaikriegers. Er hatte einen schwarzen Bart und eine sehr helle Haut. So stellte man sich normalerweise keinen Mudschahid vor.
„Ich glaube, es ist der kleinere“, sagte ich zu Abu Anas.
„Bruder“, antwortete er. „Du täuschst dich. Der großgewachsene Mann ist Ibn Sheikh.“
Dann stand er auf und ging den beiden Männern entgegen. Die drei sprachen kurz miteinander, und dann stellte sich der Kleinere etwas abseits, während Abu Anas und Ibn Sheikh noch einige weitere Worte wechselten.
Nach ein paar Minuten konnte ich dann beobachten, wie Abu Anas mit dem Kleineren in Richtung seines Hauses ging, während Ibn Sheikh mir entgegenkam.
„Assallamu Alaykum“, begrüßte er mich.
„Alaykum Assallam“ , erwiderte ich.
Dann setzte er sich neben mich und begann, mir Fragen zu stellen. „Wo kommst du her?“Seine Stimme war ruhig und unaufgeregt – wie die Stimme von Abu Anas.
„Marokko“, antwortete ich.
Er lächelte. „Nein, Bruder – ich meinte, wo du warst, bevor du hierherkamst.“
„In Belgien.“
„Wirklich?“, rief er aus. Sein Gesicht zeigte kaum eine Regung, während er mit mir sprach, aber ich merkte, dass mich seine Augen auszuforschen suchten. „Warum hast du Belgien verlassen? Hat dich jemand hierhergeschickt?“
Ich wartete erst einige Sekunden, bevor ich antwortete. Mein ganzer Körper stand jetzt unter Spannung. Ich hatte Abu Anas meine Geschichte erzählt, und ich reiste mit einem Pass, in dem mein richtiger Name stand. Wenn Abu Anas al-Ansar gelesen hatte, dann hatte das bestimmt auch Ibn Sheikh getan. Also wusste er bestimmt auch von den Razzien in Brüssel. Die einzig offene Frage war nur, ob er auch meine wirkliche Rolle in diesen Ereignissen kannte. In diesen paar Sekunden ging ich im Kopf rasend schnell alle Möglichkeiten durch. Vielleicht nahmen mir Hakim und die anderen meine Erklärung, warum ich mich mit der DGSE eingelassen hatte, ab. Vielleicht konnten sie auch niemandem von meinem Geständnis erzählen, weil sie ja bald danach verhaftet wurden. Aber wenn sie es doch getan hatten? Könnte es nicht sein, dass Abu Anas herausgefunden hatte, wer ich wirklich war, und mich nur hierhergebracht hatte, um mich hier für meinen Verrat an den Mudschahidin hinrichten zu lassen? In diesem Augenblick schien zwar alles möglich, aber mir selbst blieb nur eine einzige Handlungsmöglichkeit übrig.
Ich atmete tief durch. „Ich musste aus Belgien fliehen.“Ich machte eine kleine Pause und fuhr dann fort. „Du hast wahrscheinlich schon von den Razzien in Brüssel gehört.“Ich hörte wieder auf zu sprechen und schaute ihn an, aber er sagte nichts, und es war auch nicht zu erkennen, ob er tatsächlich etwas davon gehört hatte. Also redete ich weiter.
„Vor ein paar Monaten gab es in Belgien eine große Polizeiaktion gegen die GIA. Die Polizei kam auch zu unserem Haus, in dem wir al-Ansar druckten und versandbereit machten. Dabei wurden alle Brüder verhaftet.“Ich schaute Ibn Sheikh erneut an. Immer noch keine Reaktion. Nur dieser kühle, forschende Blick.
Ich fuhr fort: „Die Polizei hat auch nach mir gesucht, und deshalb musste ich das Land verlassen. Zuerst flog ich in die Türkei, und dann kam ich nach Pakistan, um mich dem Dschihad anzuschließen. “
Ibn Sheikh hörte meiner Erzählung zwar äußerst aufmerksam zu, sie schien ihn aber nicht weiter zu überraschen. Er stellte mir nur eine einzige Frage: „Wie hießen diese Brüder in Belgien?“
Ich antwortete sofort: „Amin und Yasin.“Ich konnte ja nicht wissen, ob sie Ibn Sheikh je begegnet waren, aber ich wusste, dass sie in den Ausbildungslagern gewesen waren. Ich war mir
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