Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
die harte Erde der afghanischen Berge.
An diesem Abend bildeten wir nach dem Essen kleine Gruppen, um tajwid zu praktizieren, also den Koran zu rezitieren. Die Aufteilung erfolgte nach dem Niveau unserer spirituellen Kenntnisse. Zu meiner Gruppe gehörten fünf Tschetschenen und ein Algerier. Wir waren alle Anfänger.
Einer der Männer erklärte mir an diesem Abend, dass der Mann, der mich in der Moschee vorgestellt hatte, der Emir des Lagers sei und Abu Bakr heiße. Ich musste lachen, weil ich unabsichtlich in Peschawar denselben Namen gewählt hatte. Allerdings sei Abu Bakr nur dann Emir, wenn Ibn Sheikh nicht anwesend sei. Nach seiner Rückkehr würde dieser wieder diese Stellung einnehmen.
Nachdem wir unsere Studien beendet hatten, versammelten wir uns auf dem Hauptplatz vor der Moschee zum Appell. Abu Bakr bat uns um unsere Aufmerksamkeit. Er instruierte die Nachtwachen und verkündete uns das Passwort für diese Nacht. Dann bestimmte er einen Bruder, der am nächsten Morgen zum Gebet rufen musste.
Danach ließ Abu Bakr den ganzen Tag Revue passieren. Ohne irgendeinen Namen zu nennen, erwähnte er verschiedene Ereignisse und kritisierte die Fehler, die einige Brüder gemacht hatten. So war zum Beispiel einer gerade auf der Toilette, als seine Gruppe zum Training aufbrach. Abu Bakr erinnerte uns daran, dass dies ein Zeichen von Nachlässigkeit sei und auf keinen Fall als korrektes Verhalten eines Mudschahids gelten könne. Ein Mudschahid nehme immer auf seine Brüder Rücksicht. Im Kampf sei das eine Frage von Leben und Tod.
Als Abu Bakr geendet hatte, ging ich zurück in meinen Schlafsaal und legte mich auf die kühle Erde. Nach Sonnenuntergang war die Temperatur deutlich zurückgegangen, und die Kälte war durch meine Kleider in meinen Körper eingedrungen. Ich brauchte daher einige Minuten, bis ich mich in meinem Schlafsack und unter meinen Decken etwas aufgewärmt hatte.
Bald aber begann mein Herz ruhiger zu schlagen. Mein Körper entspannte sich, und ich fing an, über das Geschehene nachzudenken. Ich würde morgen in einem anderen Land als gestern aufwachen. Vor weniger als einem Monat war ich noch in Istanbul gewesen, und jetzt befand ich mich in einem Ausbildungslager der Mudschahidin. Alles hier schien so seltsam, gleichzeitig aber auch so bekannt zu sein. Nach all den Filmen und Büchern, die ich über den Krieg gegen die Russen gesehen oder gelesen hatte, und nach all den Erzählungen Amins und Yasins hatte ich alles genauso erwartet und ersehnt, wie ich es hier vorfand. Ich musste an die Gewehrsalven denken und die Kalaschnikows, die alle Brüder hier trugen, und mir wurde klar, dass ich hier viel Spaß haben würde.
Ich war richtig aufgeregt und freute mich schon auf den nächsten Morgen. Aber in den letzten Augenblicken, bevor ich einschlief, zwang ich mich doch, über meinen Auftrag nachzudenken. In dieser Nacht und in jeder Nacht des nächsten Jahres erinnerte ich mich immer wieder selbst daran, dass ich ein Spion war.
ABU HAMAM
In dieser Nacht bekam ich allerdings nicht sehr viel Schlaf. Mir schienen es nur ein oder zwei Stunden zu sein, bis ich von dem Geräusch aufgeweckt wurde, das die anderen machten, als sie sich anzuziehen begannen. Als ich die Augen öffnete, war es noch vollkommen dunkel. Trotzdem war es wohl schon Zeit für die erste salat, da im Sommer die Sonne sehr früh aufging.
Wir vollführten unsere Waschungen und gingen dann hinüber zur Moschee, um gemeinsam mit den anderen zu beten. Es war immer noch sehr kalt. Nach dem Gebet versammelten wir uns auf dem Vorplatz der Moschee. Abu Bakr teilte uns in drei Gruppen ein und wies jeder von ihnen einen Ausbilder zu.
Dann liefen wir zusammen auf ein großes flaches Gelände hinaus, das direkt vor dem Lager lag. Die ersten Sonnenstrahlen drangen gerade erst über die Berge, und ich hatte immer noch die Kälte der Nacht in den Knochen. Wir machten gruppenweise einige Übungen, um unsere Muskeln aufzuwärmen. Ich schaute die anderen an und bemerkte, dass sie alle äußerst fit waren. Das machte mir ein wenig Sorge, denn ich hatte schon seit Jahren nichts mehr für meine Fitness getan.
An diesem Morgen wurde ich einer Gruppe zugewiesen, deren Ausbilder Abu Hamam hieß. Er war Eritreer, und seine Haut war viel dunkler als die der anderen. Seine Bewegungen waren elegant, aber auf eine andere Weise als die Abu Bakrs.
Ich hatte allerdings nicht sehr lange Zeit, mich vor unserer Übungseinheit näher mit Abu Hamam zu befassen.
Weitere Kostenlose Bücher