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Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story

Titel: Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Omar Nasiri
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einfach hier stehen lassen. Ich hatte bisher keinen einzigen anderen Menschen gesehen. Was mich wohl hier erwartete? Ich wusste, dass ich mich in große Gefahr gebracht hatte. Es würde ihnen nicht schwerfallen, mich als Spion zu enttarnen. Aber wenn sie mich hätten umbringen wollen, hätten sie das bereits in Peschawar oder sogar noch früher tun können. Abu Anas hätte mich ja schon in Lahore umbringen können.
    Plötzlich riss mich Gewehrfeuer aus meinen Überlegungen.
    Tat-tat-tat-tat. Von einem Ort, der weiter vorne im Tal liegen musste, dröhnten Gewehrsalven herüber, die durch ihr eigenes Echo verstärkt wurden, das von den Bergen widerhallte. Bum. Bum. Bum.
    Ich spürte die Erschütterungen der Explosionen in meinem Körper. Plötzlich überkam mich dieselbe Erregung, wie ich sie bei meinen ersten Schießübungen mit Édouard empfunden hatte. Mir wurde bewusst, dass ich von diesem Moment seit Jahren geträumt hatte. Ich war jetzt in den Bergen Afghanistans und auf allen Seiten von Gewehrfeuer umgeben. Tat-tat-tat-tat.
    Ich vertrieb alle trüben Gedanken aus meinem Kopf und freute mich, dass ich endlich am Ziel war. Ich war bereit, meinen Dschihad zu beginnen.

KHALDAN
    In Wirklichkeit stand ich nur ungefähr fünf Minuten dort, bevor meine Überlegungen von einem Mann unterbrochen wurden, der mir schnellen Schrittes entgegenkam. Er war noch jung, etwa Anfang dreißig. Um seine Brust hatte er ein Sturmgewehr geschnallt, das wie eine Kalaschnikow aussah, aber etwas kompakter war. Er selbst war ungeheuer drahtig und machte einen kraftvollen Eindruck. Er bewegte sich wie eine Katze, ruhig, aber mit vollkommener Präzision.
    Ich war von seiner außerordentlichen physischen Erscheinung so beeindruckt, dass ich erst bemerkte, wie klein er war – höchstens 1,65 Meter -, als er direkt vor mir stand. Ich sah sofort, dass er Palästinenser war. Die Gesichter von palästinensischen Männern haben alle etwas gemeinsam: eine Art Ausdruckslosigkeit, die sowohl die Hinnahme eines Verlusts als auch das Bekenntnis zum eigenen Schicksal widerspiegelt. Ich hatte diesen Ausdruck schon tausendmal im Fernsehen gesehen.
    Der Mann hielt direkt vor mir an. „Sallamu Alaykum“, sagte er.
    „Alaykum Sallam.“
    Dann nahm er mir meine Reisetasche aus der Hand und ließ sie zu Boden fallen. Danach tastete er mit einer schnellen Bewegung meinen ganzen Körper ab. Seine Bewegungen waren ungeheuer präzise und kontrolliert. Der ganze Vorgang dauerte nur ein paar Sekunden.
    Unter meinem salwar kameez entdeckte er den Gürtel, in dem ich meinen Pass und mein Geld aufbewahrte, und nahm ihn mir weg.
    „Hast du noch etwas anderes dabei?“, fragte er.
    Ich erzählte ihm von dem Geld in diesem Gürtel, und er holte es heraus und zählte es vor meinen Augen. Er sagte mir, dass man mich später ein Papier unterzeichnen lassen werde, das meine Habseligkeiten aufführe. Dann legte er mir die Hand auf den Arm.
    „Wie heißt du, Bruder?“
    „Omar Nasiri“, gab ich zur Antwort.
    Er trat völlig überrascht einen Schritt zurück.
    „Ist das dein richtiger Name?“
    Ich fühlte, wie mir das Blut ins Gesicht schoss. Ich schämte mich. Ich hatte ganz automatisch geantwortet. Ich hatte mich noch nicht an meinen neuen Namen gewöhnt, und darüber hinaus hatte mich dieser eindrucksvolle Fremde etwas verwirrt.
    Ich verbesserte mich sofort: „Ich heiße Abu Bakr“, stotterte ich.
    Er lächelte. „Diesen Namen hat schon ein anderer Bruder gewählt“, sagte er. „Du musst dir einen neuen suchen.“
    Ich dachte einen Moment nach und fragte dann: „Ist Abu Imam in Ordnung?“
    „Ja, das ist ausgezeichnet“, antwortete er. Dann führte er mich an einigen Gebäuden vorbei auf das Lagergelände. Während ich ihm folgte, bemerkte ich erneut, wie kontrolliert jeder seiner Schritte und seine Bewegungen waren. Alles an ihm war pure Aufmerksamkeit. Sein Körper war in ständiger Anspannung, wie bei einem Löwen, der sich auf einen Angriff vorbereitete.
    Im Zentrum des Geländes stand ein Ziegelbau mit einem Metalldach. Er erklärte mir, dass dies die Moschee sei. Ich solle mich dort hineinsetzen und auf die anderen warten. Bevor er ging, erteilte er mir mit seiner ruhigen, aber eindringlichen Stimme eine Warnung:
    „Du darfst niemals vergessen, dass du hier bist, um deinen Dschihad zu machen. Du bist nicht hier, um mit den anderen zu reden. Wir stellen den Brüdern keine Fragen und geben nichts von uns selber preis. Wir müssen uns ganz auf unsere

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