Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
Als wir zurückkamen, forderte Abu Suhail die Tschetschenen auf, das soeben Gelernte in Eigenarbeit noch einmal durchzugehen. Den Rest des Nachmittags verbrachte er damit, mich über Handfeuerwaffen zu belehren. Allerdings durfte ich an diesem Tag noch keine einzige Waffe in die Hand nehmen, da mir seiner Ansicht nach die dazu nötigen Kenntnisse noch fehlten. Wie auch an den folgenden Tagen war sein Unterrichtsstil ungeheuer präzise. Bei jeder neuen Waffe nannte er mir erst einmal ihren Namen und erklärte mir dann, welche Munition man für sie benötigte. Danach musste ich mir die Sicherheitsbestimmungen für diese bestimmte Waffe einprägen. Ich musste auch den Hersteller und sogar den Namen des Erfinders – Makarow, Kalaschnikow – auswendig lernen. Dann brachte er mir die Merkmale jeder Waffe bei: die Größe ihres Patronenlagers, ihr Gewicht und ihre Länge, ihr Kaliber und ihre Reichweite. Ich erfuhr, in welcher Situation man sie benutzte, ob bei Attentaten, im Häuserkampf und so weiter. Ich musste die Flugbahn eines Geschosses berechnen, und ich musste lernen, wie man die Waffe auseinandernahm und wieder zusammenbaute, und nicht zuletzt, wie man sie reinigte.
Erst wenn ich all das wusste, durfte ich diese Waffe zum ersten Mal anfassen. Ich war allerdings von Natur aus sehr ungeduldig. Jedes Mal, wenn ich eine neue Waffe kennenlernte, wollte ich sie sofort in die Hand nehmen.
Ich lernte schnell, teils weil Abu Suhail mir sehr oft Einzelunterricht erteilte, da die Tschetschenen mir weit voraus waren, teils aber auch, weil ich aus meiner Zeit mit Édouard noch ziemlich viel wusste.
Im Laufe des nächsten Monats sollte ich eine große Vielfalt an Waffen kennenlernen. Abu Suhail zeigte mir Gewehre und Pistolen, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. Meist waren es deutsche und russische Waffen aus dem Zweiten Weltkrieg. In den ersten Wochen trainierte ich den Umgang mit folgenden Pistolen: der Makarow PM, einer sowjetischen halbautomatischen Pistole, die in den 1940er Jahren erfunden worden war; der Tokarew TT, einer halbautomatischen Pistole, die die Sowjets im Zweiten Weltkrieg einsetzten; der Walther PPK, einer Pistole, die die deutsche Luftwaffe verwendete (ich mochte die Walther PPK, da sie James Bonds Waffe war); der SIG-Sauer, einer verbesserten Version einer Pistole, die die Deutschen in der Nazi-Zeit erfunden hatten; und der Luger, die am Anfang des 20. Jahrhunderts von den Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken entwickelt worden war. Ihr wirklicher Name war Parabellum-Pistole – das „Parabellum“stammte von dem lateinischen Wahlspruch der DWM: Si vis pacem, para bellum! – „Wenn du den Frieden willst, bereite den Krieg vor!“
Als ich mich mit diesen Waffen auskannte, zeigte mir Abu Suhail den Umgang mit den größeren Maschinenpistolen und -gewehren. Zuerst trainierte ich mit der Uzi, der Waffe, die ich am meisten hasste. Diese leichte Maschinenpistole wurde im Gefolge des Arabisch-Israelischen Kriegs von 1948 von Uziel Gal entwickelt. Danach lernte ich den Umgang mit zwei weiteren sowjetischen Schusswaffen: der Degtjarjow DP, einem leichten Maschinengewehr aus den 1920er Jahren, und der RPD, die erst viel später eingeführt wurde. Es war ein Maschinengewehr mit Gurtzuführung und einem eingebauten einklappbaren Zweibein.
Schließlich bildete mich Abu Suhail an den legendären Waffenkonstruktionen des Michail Kalaschnikow aus, als Erstes an der Kalaschnikow AK-47, einem halbautomatischen Sturmgewehr. Es wurde nach dem Jahr seiner Erfindung benannt. Diese Waffe lieferten die Sowjets ihren Satellitenstaaten in der ganzen Welt. In einigen Teilen Afrikas nennen Eltern ihre Söhne zu Ehren dieses Gewehrs und seines Erfinders „Kalasch“.
Und dann kamen die berühmten PK und PKM an die Reihe. Dies sind vollautomatische Maschinengewehre mit einer Munitionszuführung durch Gurte. Sie haben ein Zweibein und können von Hand abgefeuert oder auf ein Fahrzeug montiert werden. Ich mochte vor allem die PKM, da dieses Maschinengewehr ungeheuer genau schoss. Ich traf sogar Ziele, die einen Kilometer entfernt waren.
Schließlich gingen wir zu den schweren Maschinengewehren über. Inzwischen hatte ich die Tschetschenen eingeholt, und wir führten unsere Ausbildung gemeinsam durch. Als Erstes lernten wir die Duschkas kennen – die DSchK und die DSchKM 12,7. Abu Suhail brachte uns zunächst alles Wissenswerte über die DSchK im Unterrichtsraum bei. Sie ist eine ungemein schwere und große Waffe,
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