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Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story

Titel: Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Omar Nasiri
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ausruhen: Je weiter ich zurückfiel, desto länger machte die Gruppe Rast, wenn Abu Hamam einmal anhielt, um auf mich zu warten. Und da ich mich niemals ausruhen konnte, wurde ich langsamer und langsamer. Bei jedem Schritt betete ich, dass Abu Hamam endlich umdrehen und wieder bergab Richtung Tal und Lager laufen würde. Aber natürlich tat er das nicht.
    Wir liefen an diesem Morgen beinahe vier Stunden lang. Als ich ins Lager zurückkam, war ich vollkommen fertig. Die anderen standen neben der Kantine und warteten auf mich. Als ich endlich vor ihnen stand, rief Abu Hamam die Namen der Gruppenmitglieder auf. Erst als alle geantwortet hatten, durften wir uns Wasser holen und frühstücken. Es gab zwar nur Tee und Brot, aber ich verschlang noch den letzten Krümel.
     
    In den nächsten Tagen würde ich herausfinden, dass das ein ganz normaler Morgen hier in Khaldan war. Es war jedes Mal das gleiche Schema. Wir standen vor Tagesanbruch auf, um zu beten, absolvierten danach gemeinsam gymnastische Übungen und machten uns dann im Laufschritt auf in die Berge.
    Ich gehörte nicht immer zu Abu Hamams Gruppe. Wir hatten unterschiedliche Ausbilder zu unterschiedlichen Zeiten. Und wir liefen nicht immer dieselbe Strecke. Manchmal führten wir auch andere Übungen durch: Wir robbten, sprangen oder schwammen in dem eiskalten Fluss. Manchmal trugen wir bei unserem Lauf auch Waffen. Dies sollte uns nicht nur durch das zusätzliche Gewicht die Übung erschweren, sondern wir sollten auf diese Weise vor allem lernen, wie wir Material und Ausrüstung am besten und schnellsten zur Front befördern konnten. Eines Tages schleppten wir sogar Raketen, von denen einige über einen Meter lang waren, mit in die Berge. Es war eine kleinere Version der Katjuscha oder Stalinorgel, eines Mehrfachraketenwerfers, den die Sowjets im Zweiten Weltkrieg benutzt hatten. An diesem Tage rannte niemand. Wir waren froh, dieses große Gewicht überhaupt tragen zu können.
    Oft absolvierten wir unseren Übungslauf auch ohne Schuhe – und dies nicht nur im Sommer. Wir liefen selbst dann barfuß, wenn im Spätherbst der Boden bereits gefroren war. Zuerst war das fürchterlich. Die Felsen waren scharf und uneben, und ich kam mit blutenden Füßen zurück ins Lager. Mit der Zeit brachte mir aber Abu Bakr bei, wie man sich in einem solchen felsigen Gelände bewegen musste und wie man sich mit den Augen seinen eigenen Weg suchen konnte. Er zeigte mir, wie ich meinen Fuß beim Gehen dem jeweiligen Untergrund anpassen konnte, so dass ich am Ende über den Boden glitt, ohne noch irgendetwas zu spüren. Auf diese Weise lernte ich, wie Amin und Yasin zu gehen.
    Abu Hamam bewegte sich völlig anders. Sein Körper war nicht so gewandt wie der Abu Bakrs, und seine Bewegungen waren weniger präzise. Trotzdem war in der Art, wie er sich bewegte, etwas Selbstsicheres, aber gleichzeitig Entspanntes. Er schien niemals auf die Felsen direkt vor ihm zu schauen. Als ich über seinen Laufstil nachdachte, wurde mir schnell klar, warum er sich in einem solchen Gelände viel sicherer als alle anderen bewegte: Er hatte in den ähnlich aussehenden Bergen des ostafrikanischen Grabenbruchs gegen die Äthiopier gekämpft.

ABU SUHAIL
    Ich war allein im Lager, was sehr ungewöhnlich war. Die meisten anderen kamen und gingen in Gruppen zu dreien oder mehr – Tschetschenen, Tadschiken, Kaschmirer, Usbeken, Saudis, Algerier und so weiter. Diese Gruppen trainierten zusammen. Da ich niemanden hatte, mit dem ich trainieren konnte, verkündete mir Abu Hamam am ersten Morgen nach dem Frühstück, dass ich mich Abu Suhails Gruppe anschließen solle. Dieser bildete bereits eine Gruppe von jungen Tschetschenen aus, die einige Wochen zuvor angekommen waren.
    Abu Suhail stammte aus dem Jemen. Er war noch sehr jung. Ich schätzte ihn auf Anfang zwanzig. Er war ausgesprochen dünn und hatte sehr helle Haut. Er war immer ruhig und bestimmt.
    Unser Unterrichtsraum war ein kleines Gebäude, das mehrere Hundert Meter flussaufwärts von der Kantine entfernt lag. Dort unterrichtete uns Abu Suhail an einer großen Schiefertafel. Am ersten Tag brachte er den Tschetschenen den Umgang mit Boden-Luft-Raketen bei. Vor allem zeigte er ihnen, welche Berechnungen man anstellen musste, um das Ziel richtig zu treffen. Ich saß da und sah zu, verstand aber kaum etwas, da ich mitten in dieser Ausbildungsstunde eingetroffen war.
    Wir unterbrachen dann den Unterricht, um in der Moschee unser Nachmittagsgebet zu verrichten.

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