Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest
werden wir nicht fertig.
„In ein paar Stunden frühstücken wir.“ Phillip gibt mir einen Kuss auf die Nasenspitze und zieht sein Sweatshirt aus. „Hier, zieh das über. Sonst erkältest du dich noch.“
Er hat mein Frösteln bemerkt! Wie süß ist das denn! Ich versinke in dem warmen, weichen, dunkelblauen Sweatshirtstoff. Nicht nur in dem Stoff, sondern auch in dem Geruch, der daran haftet. Dieser ganz spezielle Phillip-Geruch. Er umhüllt und wärmt mich auf der Stelle.
„Frühstück klingt toll.“ Ich winke Phillip zu und habe große Mühe, meine Augen offen zu halten.
Ich stapfe über den taufeuchten Rasen. Ein paar Meter weiter robbt Lukas mit einem Müllsack durch ein Rosenbeet. Als er mich bemerkt, lächelt er. Ich nicke ihm zu und versuche gleichzeitig, sein Lächeln zu analysieren. War es nicht ein bisschen zu selbstgefällig? Eine Spur triumphierend? Oder hat er es tatsächlich nur nett gemeint?
Seine auffallende Nettigkeit und Hilfsbereitschaft wollen irgendwie nicht in das Bild passen, das ich bisher von ihm hatte. Kann ein Mensch sich so schnell ändern?
In mir keimt ein kleiner Zweifel. Keine Ahnung, woher der so unerwartet kommt. Auf einmal ist er da. Der Zweifelkeim ist hartnäckig und wächst ziemlich schnell. Plötzlich läuft es mir eiskalt den Rücken rauf und runter, was nicht an meinem Zustand der totalen Übermüdung, sondern vielmehr an dem Verdacht liegt, der sich mir blitzartig aufdrängt.
Was, wenn Lukas das Ganze eingefädelt hat? Wenn das alles eine Inszenierung war? Und zwar seine Inszenierung! Vielleicht war er selbst derjenige, der die Party ins Internet gestellt hat, um sich hinterher als der große Held und Retter in der Not präsentieren zu können?
Scheiße! Kann das sein? Ja, klar! Es würde perfekt zu ihm passen, so mies und hinterhältig, wie er bisher in Erscheinung getreten ist!
Mir stehen fast die Haare zu Berge, als ich mir vorstelle, wie er sich heimlich ins Fäustchen lacht. Sein Plan hat super funktioniert! Wir sind alle darauf reingefallen. Wie konnten wir nur so blöd sein?
Fieberhaft überlege ich, was jetzt zu tun ist, während ich mechanisch zerbrochenes Plastikbesteck, zerknüllte Servietten und ketchupverschmierte Pappteller aufklaube und in meinen Sack stopfe. Wie soll ich diesem Armleuchter sein doppeltes Spiel nachweisen?
Denk nach, Conni Klawitter, denk nach! Los! Bevor’s zu spät ist!
Aus den Augenwinkeln beobachte ich, wie Lukas sich unauffällig in Annas Richtung bewegt. Ganz beiläufig hebt er ein Fahrrad auf, das jemand vergessen hat, und lehnt es gegen die Garagenwand.
Anna steht in der Nähe und bearbeitet die Umrandung des Pools mit einem Schrubber.
Ich raffe meinen Müllsack zusammen und sprinte los, bevor Lukas sie erreichen kann. Unter keinen Umständen darf sie noch einmal auf diesen verlogenen Miesling reinfallen!
Leider trete ich in eine tiefe Furche, die die Jungs mit den Motorrollern in den Rasen gefräst haben, und stolpere über meine eigenen Füße. Anscheinend war Krischan noch nicht in dieser Ecke des Gartens. So ein Mist aber auch.
Mit einem herzhaften Fluch auf den Lippen schlage ich der Länge nach hin und lande mit der Nase nur knapp neben einer leeren Cola-Flasche. Ich rappele mich in Lichtgeschwindigkeit wieder hoch. Komme ich zu spät? Eindeutiges Ja. Lukas steht bei Anna. Und Anna strahlt ihn an, als wäre er der Prinz in der weißen Rüstung. Lukas’ Plan ist aufgegangen. Ich hab’s gewusst.
Zwei Stunden später – es ist mittlerweile hell, die Sonne scheint, die Vögel zwitschern, und es könnte ein wunderwunderschöner Morgen sein; die Betonung liegt auf könnte ! – sind wir fertig. Der Garten sieht zwar immer noch aus, als wären mehrere Panzer zu Übungszwecken durchgerollt, aber Krischan hat versprochen, dass man nach einer kompletten Neuansaat vermutlich schon bald nichts mehr davon sehen wird. Die gröbsten Spuren hat er jedenfalls beseitigt. Und strapazierfähiges Saatgut will er in den nächsten Tagen auch vorbeibringen. Wirklich nett von ihm. Bleibt nur noch die Frage, wie Phillip das seinem Vater erklären soll.
Der Pool ist sauber, der Grill und die Terrasse auch. In der Küche und im Rest des Hauses duftet es frühlingsfrisch. Sogar die massakrierten Eier haben wir von den Schranktüren und Wänden fast spurlos abkratzen können. Nur einige wenige festgetrocknete gelbe Schlieren sind noch zu sehen, und das auch nur, wenn man’s weiß und aus einem ganz bestimmten Winkel guckt.
In der
Weitere Kostenlose Bücher