Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest
verselbstständigt, das sieht inzwischen auch der letzte Optimist. Überall hängen fremde Typen herum, die keiner von uns kennt. Mehrere Jungs werfen sich mit Klamotten in den Pool, in dem bereits zwei Gartenstühle, ein paar CD -Hüllen und diverse Pappbecher und Plastikteller schwimmen. Auf der Terrasse liegen leere Flaschen. Whisky, Wodka, Gin … lauter richtig harte Sachen; vermutlich mitgebracht oder aus der Hausbar von Herrn Graf.
Zwei schlaksige Mädchen torkeln über den Rasen.
„Warte mal“, ächzt die eine und lehnt sich gegen einen Baum. „Ich muss kotzen.“
Ihre Würgegeräusche dringen bis zu uns. Angeekelt wende ich mich ab.
Unter einem anderen Baum wälzt sich ein eng umschlungenes Paar auf einem schmalen Liegestuhl. Zum Glück ist es zu dunkel, um genau sehen zu können, was sie da machen. Ich wette, es ist nicht jugendfrei.
Langsam komme ich mir vor, als wäre ich im falschen Film. In einer von diesen amerikanischen Highschool-Komödien vielleicht, in denen es nur ums Partymachen und Saufen geht. Wie konnte es so weit kommen?
Irgendetwas ist ganz gewaltig schiefgelaufen.
Unsere schöne Party wurde von wildfremden Leuten gesprengt, so viel steht fest.
Ich fühle mich total überfordert, ganz ehrlich. Für den Bruchteil einer Millisekunde denke ich sogar daran, meine Eltern anzurufen, damit sie mich hier rausholen. So wie früher, als ich noch klein war.
Saublöde Idee, ich weiß.
Ich werfe Phillip einen hilflosen Blick zu.
Er guckt mich lange an. Sein Gesichtsausdruck ist mindestens genauso hilflos wie meiner, aber dann strafft er die Schultern.
„Ich glaube, es ist Zeit, etwas zu unternehmen“, sagt er und klingt, als wäre er Arnold Schwarzenegger persönlich.
Wir wollen uns gerade in Bewegung setzen, als zwei Typen auf Motorrollern haarscharf vor uns über den Rasen schlingern. Die Motoren jaulen auf, es stinkt nach verbranntem Benzin, Gummi und Abgasen. Ausgerissene Gras- und Erdbrocken fliegen uns um die Ohren. Einer trifft mich an der Schulter. Es tut nicht weh, aber einen Schreck kriege ich trotzdem. Und außerdem hat meine Bluse einen Fleck.
„Ey!“, schreit Krischan. „Das ist nicht gut für den Rasen!“
„Nicht so laut, sonst kommt Herr Worthmann zurück!“, faucht Lena ihn an.
Die Situation ist so unglaublich abgefahren, dass ich am liebsten laut losprusten würde. Aber das Lachen bleibt mir buchstäblich im Hals stecken.
„Das war’s“, sagt Phillip gefährlich leise und ballt die Fäuste. „Jetzt reicht’s!“
Wahrheit oder Pflicht.
Ich weiß nicht, wie lange es gedauert hat, einigermaßen Ordnung in das Chaos zu bringen. Als ich das nächste Mal auf die Uhr schaue, ist es halb vier. Spricht man um diese Uhrzeit noch von Nacht oder schon von frühem Morgen? Ich habe keine Ahnung. Ich weiß nur, dass ich hundemüde bin, friere und am liebsten zu Hause in meinem kuscheligen Bettchen liegen würde. Mit oder ohne Phillip – ganz egal.
Stattdessen robbe ich mit zwei großen blauen Abfallsäcken durch die Morgendämmerung und tüte Restmüll und leere Flaschen ein, wobei ich tierisch aufpassen muss, nicht in einen der ekligen Kotzehaufen zu treten, die überall zwischen den Bäumen vor sich hin modern. Ich möchte wirklich nicht wissen, wie meine armen, ehemals nagelneuen Chucks bei Tageslicht aussehen! Zum Glück hat die Putzfrau von Phillips Vater einen Jahresvorrat Gummihandschuhe unter der Spüle gehortet. Trotzdem fasse ich die Zigarettenkippen nur mit äußerstem Widerwillen, angehaltenem Atem und spitzen Fingern an. Zum Glück ist mir bisher nichts begegnet, das noch schlimmer als Kippen und Kotze ist. Würg.
Wie auf jeder Fete üblich, ist nur der engste Kreis dageblieben, als es ans Aufräumen ging. Die Hardcore-Partypeople , wie Lena sagen würde.
Phillip, Krischan und die anderen Jungs – zumindest die, die für diese Aufgabe noch nüchtern genug waren – haben es tatsächlich geschafft, sämtliche ungebetenen Gäste aus dem Haus und aus dem Garten zu befördern. Es hat ein paar Pöbeleien und Rangeleien gegeben; zum Glück nichts Dramatisches. Aber zwei Nachbarn haben trotzdem Stress gemacht (nein, nicht Herr Worthmann; der hat vermutlich kübelweise Baldrian geschluckt und sich Ohropax in die Lauscher geschoben) und wollten die Polizei rufen, weil ein paar Bierflaschen auf der Straße kaputtgegangen sind. Cem, Björn und Jesko haben die Scherben aufgesammelt und sogar die Straße gefegt.
Schließlich hat jemand den Stecker der Anlage
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