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Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest

Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest

Titel: Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Hoßfeld
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nehmen?“
    „Stell dich nicht so an“, sagt Billi. „Die Flasche ist leer.“
    Bevor es losgeht, räumen wir den Tisch ab, tragen Teller, Tassen und Besteck in die Küche und schmeißen den Geschirrspüler an. Ich werfe Phillip einen unauffälligen Blick zu. Ob unser Hobbypsychologentrick tatsächlich funktioniert?
    Zuerst gibt es die stinknormalen Pflichtaufgaben und Wahrheitsfragen, die jeder von uns auswendig kennt: „Hüpfe auf einem Bein dreimal um den Tisch und gackere wie ein Huhn!“; „Gib dem dritten Mädchen links von dir einen Kuss!“; „Hast du schon mal mit Zunge geküsst?“; „Hast du heute Unterwäsche an?“, und so weiter und so fort. Alles total harmlos. Wir lachen und haben jede Menge Spaß, und ich vergesse schon fast das eigentliche Ziel des blöden Spiels. Doch dann ist Phillip mit Drehen dran, und die Flaschenöffnung zeigt ausgerechnet auf Lukas. Besser geht’s nicht!
    Ich drücke Phillips Hand unter dem Tisch. Er erwidert den Druck kaum merklich.
    „Wahrheit oder Pflicht?“, fragt er Lukas.
    Lukas zögert kurz. „Wahrheit.“
    Perfekt! Meine Kopfhaut kribbelt vor Anspannung.
    Phillip räuspert sich. Mir kommt es vor, als würden Minuten verstreichen, bis er endlich seine Frage stellt: „Hast du unsere Party bei facebook eingestellt und als öffentlich markiert?“
    Anna schnappt nach Luft. Paul runzelt die Stirn. Am Tisch herrscht plötzlich Schweigen. Ich drücke Phillips Hand, so fest ich kann.
    „Hä?“ Cem findet als Erster seine Stimme wieder. „Hab ich was verpasst?“
    „Nein“, sagt Lukas. Seine Stimme klingt schneidend, sein Blick wirkt selbstbewusst und kühl zugleich.
    „Nein was?“, fragt Phillip ihn ebenso kühl und beherrscht.
    „Nein, Cem hat nichts verpasst. Und nein, ich habe die Party nicht bei facebook eingestellt und als öffentlich markiert. Zufrieden?“ Lukas stupst die Flasche an. Sie dreht sich wacklig einmal im Kreis herum und bleibt schließlich bei Anna stehen.
    Billi runzelt die Stirn. „Was soll das? Kann mich mal jemand aufklären, worum es hier geht?“
    „Phillip glaubt anscheinend, dass Lukas etwas mit dem Party-Flashmob zu tun hat“, sagt Anna. Ihre Stimme zittert leicht.
    „Und? Hat er?“, fragt Jesko verwirrt.
    „Er hat Nein gesagt“, antwortet Phillip und fügt nach einer kurzen Pause hinzu: „Ich glaub’s ihm.“
    Lukas nickt gelassen.
    Was? Wie bitte? Und das soll’s gewesen sein? Damit gibt Phillip sich zufrieden? Ich überlege gerade, ob ich aufspringen und nach Hause fahren soll, weil ich Lukas’ selbstherrliches Getue nicht länger ertragen kann, da meldet Anna sich zu Wort.
    „Ich war’s“, sagt sie. Mehr nicht. Sie presst die Lippen aufeinander, bis sie nur noch zwei schmale Linien sind. Ihr Gesicht wird zuerst blass, dann rot.
    Ich hätte kaum für möglich gehalten, dass das Schweigen von gerade eben noch übertroffen werden könnte. Aber es kann. Es gibt nämlich ein noch stärkeres Schweigen als ein normales Schweigen. Ich glaube, man nennt es Grabesstille. Wahrscheinlich, weil plötzlich alles aufhört, sich zu bewegen und Geräusche zu machen. Genau so eine Stille – Grabesstille – herrscht plötzlich an unserem Tisch. Obwohl natürlich alles weitergeht, die Vögel weiterzwitschern, die Sonne weiterscheint, das Wasser im Pool weiterplätschert. Trotzdem ist es so, als hätte das alles schlagartig aufgehört. Es fühlt sich wie ein Vakuum an; als würden wir unter einer schalldichten Kuppel sitzen, in der jemand die Zeit angehalten hat.
    Ich kann in diesem Vakuum nicht atmen, stelle ich fest und schnappe nach Luft. Ungläubig starre ich Anna an. Sie weicht meinem Blick aus.
    „Ich war sauer, traurig, wütend, enttäuscht“, bricht sie die unheimliche Stille. „Ich saß allein zu Haus und wollte nicht auf die Party, weil ich Stress mit Lukas hatte. Da hab ich’s gemacht.“
    „Was gemacht?“, fragt Paul begriffsstutzig. Er runzelt die Stirn und blinzelt verwirrt durch seine rosarote Brille.
    „Na, die Party bei fb eingestellt! Ich wollte … “, Anna unterbricht sich selbst mit einer ärgerlichen Geste. „Ach, ich weiß eigentlich gar nicht, was ich wollte! Ich glaub, ich war irgendwie nicht zurechnungsfähig. Ich stand total neben mir. Ich hab den Eintrag aus Quatsch gemacht und im selben Moment wieder gelöscht. Trotzdem haben ihn welche gelesen und geteilt. Es war saublöd von mir, total überflüssig. Tut mir leid.“
    „Äh … “, macht Paul.
    „Ich muss das jetzt nicht verstehen,

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