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Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest

Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest

Titel: Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Hoßfeld
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„Jakob und Papa sind nicht da, und ich wüsste gerne, was passiert ist, dass du wie eine Furie ins Haus geschossen kommst, ohne Gruß und ohne – “
    „Nichts ist passiert!“
    „Hattest du Ärger in der Schule?“
    „Nein!“
    „Mit Phillip?“
    „Was soll das? Ist das jetzt ein Verhör, oder was?“
    „Ach, Conni … “
    Sie seufzt. Klar seufzt sie. Das tut sie immer.
    „Alles. Ist. Gut“, sage ich, jedes Wort einzeln betonend. „Ich habe keinen Ärger, mir geht’s gut, die Sonne scheint. Alles ist okay. Gehst du jetzt bitte?“
    „Wenn ich dir irgendwie helfen kann – “
    „Sag ich’s dir. Klar.“ Ich zeige auf die Tür. „Ich muss Hausaufgaben machen. Wir schreiben morgen Mathe.“
    Meine Mutter will eine Hand ausstrecken. Vielleicht, um mich zu streicheln, so wie früher. Mitten in der Bewegung hält sie inne. „Sag Bescheid, wenn du etwas brauchst. Oder reden möchtest.“
    Zu mehr als einem stummen Nicken kann ich mich nicht durchringen. Es ist nicht fair, ich weiß. Aber was ist schon fair? Das ganze Leben ist ein einziger Beschiss. Daran können auch besorgte Mütter nichts ändern.
    Endlich geht sie. Ich zwinge mich dazu, die Tür hinter ihr geräuschlos zu schließen, obwohl ich sie am liebsten zuknallen würde. Abzuschließen trau ich mich nicht. Nicht nach dem Theater. Sie ist im Stande und nimmt mir den Schlüssel weg, und damit wäre auch der letzte Rest meiner Privatsphäre flöten.
    Ich bleibe unschlüssig mitten im Zimmer stehen. Mein Blick fällt auf meinen Schreibtisch. Ich gehe hin und nehme ein Buch in die Hand, das Lena mir geliehen hat. Die Hauptfigur darin heißt auch Lena. Delirium , so lautet der Titel, handelt davon, dass die Liebe in der Zukunft als Krankheit betrachtet wird. Amor Deliria Nervosa wird sie genannt. Durch einen harmlosen Eingriff soll die Menschheit ein für alle Mal davon geheilt werden. Jeder muss sich diesem Eingriff unterziehen, bevor er achtzehn wird.
    Vielleicht ist das die Lösung?, überlege ich. Liebe ist eine Krankheit. Wenn ich könnte, würde ich mich sofort operieren oder impfen lassen oder irgendwelche Tabletten schlucken, um mich für den Rest meines Lebens davon zu befreien. Nie wieder falle ich darauf rein!
    Ich lege das Buch zurück. Auf meinem Handy sind neun neue Nachrichten. Sieben von Phillip, eine von Lena, eine von Anna. Ich lese die erste von Phillip – ICH MUSS MIT DIR REDEN ! BITTE !! – und lösche den Rest, dann schalte ich das Handy aus und schiebe es unter das Buch.
    Amor Deliria Nervosa – ein schöner Name für eine tödliche, extrem schmerzhafte Krankheit.
    Ich muss eingeschlafen sein. Als ich wieder aufwache, liege ich auf meinem Bett, ohne mich daran erinnern zu können, dass ich mich hineingelegt habe. Meine Kehle brennt, genau wie meine Augen. Mein Herz brennt nicht. Es tut auch nicht mehr weh. Ich fühle es einfach nicht. Es ist, als wäre es gar nicht da. Gut so. Wer braucht schon ein Herz?
    Ich schiebe eine CD in mein Laptop und stopfe mir die Ohrstöpsel in die Ohren.
    So still, dass alle Uhren schwiegen, ja, die Zeit kam zum Erliegen, so still und so verloren gingst du fort …
    Ich spüre die Tränen in meinen Augen.
    Plötzlich ist ein so großer Schmerz in mir, dass ich schnell in mein Kissen beißen muss, um nicht laut aufzuschreien. Es fühlt sich an, als würde etwas mit einem Ruck zerreißen. Ich stöhne auf.
    Wie kann er mir das antun?
    Wie lange plant er es schon?
    Wann wollte er es mir sagen?
    Kurz vor seiner Abreise?
    Wollte er es mir überhaupt jemals sagen?
    Oder wäre er eines Tages einfach verschwunden?
    Ich hasse ihn. Ich hasse ihn so sehr!
    *
    In den nächsten Tagen versuche ich irgendwie zu funktionieren. Ich stehe morgens auf, wasche mich, drücke meine Stresspickel aus, ziehe mich an, schleppe mich zum Frühstück und anschließend in die Schule.
    Meine Mutter beobachtet mich, aber wenigstens stellt sie keine blöden Fragen mehr. Ich habe meinen Eltern von Phillips Reiseplänen erzählt. Sie haben die Neuigkeit sehr überrascht zur Kenntnis genommen, aber sich jeden Kommentar verkniffen. Dafür bin ich ihnen dankbar. Irgendwelche dämlichen Sprüche wie „Aber das ist doch nicht so schlimm, Conni. Ein halbes Jahr geht so schnell vorüber. Sei ein bisschen großzügig und gönn ihm den Spaß!“ wären echt das Letzte, was ich jetzt gebrauchen könnte.
    In der Schule läuft das natürlich ganz anders. Alle haben inzwischen mitgekriegt, dass zwischen Phillip und mir etwas passiert sein

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