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Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest

Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest

Titel: Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Hoßfeld
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muss. Wir gehen uns aus dem Weg. Er schickt mir jeden Tag mehrere SMS und Mails. Ich verschiebe sie ungelesen in den Papierkorb, traue mich aber nicht sie zu löschen. Vielleicht werde ich sie später lesen. Irgendwann …
    Einmal hat er mich nach der Schule am Fahrradunterstand abgefangen und wollte mit mir reden, aber ich habe ihn abgeschüttelt und einfach stehenlassen. Worüber sollen wir reden? Sein Entschluss steht doch sowieso fest. Wahrscheinlich hat er sogar schon sein Visum beantragt und die Koffer gepackt. Bestimmt kann er kaum erwarten, endlich abzuhauen. Weg von mir. Endlich!
    Lena guckt eine ganze Weile zu, aber nach ein paar Tagen nimmt sie mich beiseite. „Wenn du dir einbildest, ich würde noch länger dabei zusehen, dass du wie ein Gespenst durch die Gegend schleichst, hast du dich geschnitten, Süße! Komm heute Nachmittag zu mir. Sagen wir um vier? Wenn du nicht kommst, hol ich dich persönlich ab. Klar?“
    Ich kann nur stumm nicken, so erschrocken bin ich.
    Lena grinst zufrieden, aber an ihren Augen kann ich ablesen, dass sie sich tatsächlich Sorgen macht.
    Ich fühle mich ertappt. Hatte ich mir wirklich eingebildet, meine Freundinnen würden mich in Ruhe lassen und meinen Zustand ignorieren, als hätte ich nur einen harmlosen Schnupfen? Ich habe Amor Deliria Nervosa – genau wie das Mädchen in Lenas Buch. Mein Freund hat mich verraten. Er hat mich im Stich gelassen und unsere Liebe für seinen Egotrip geopfert. Oder war’s gar keine Liebe?
    Komisch, bis vor kurzem habe ich es noch dafür gehalten. Ich muss mich getäuscht haben. Phillip hat das, was zwischen uns war, anscheinend ganz anders gesehen. Phillip … Ich kann diesen Namen nicht aussprechen, ohne dass ich einen Kloß im Hals spüre. Einen richtig dicken Kloß, der alles blockiert, sogar das Atmen.
    Anna und Billi sind die Nächsten, die sich um mich sorgen.
    „Willst du uns erzählen, was los ist?“, fragt Billi so lieb, dass ich um ein Haar anfange zu heulen.
    Anna steht mit bedröppeltem Gesicht neben ihr und schlägt vor, dass wir doch mal wieder was zusammen machen könnten. Alle zusammen, so wie früher.
    Ich schüttele den Kopf. Weder möchte ich ihnen erzählen, was geschehen ist, noch verspüre ich gesteigerte Lust auf einen lustigen Mädelsnachmittag. Diese Zeiten sind vorbei.
    „Ich bin nicht mehr mit Phillip zusammen“, sage ich. Jetzt ist es raus. Anna und Billi schnappen gleichzeitig nach Luft. Synchronschnapping sozusagen.
    „Und ich möchte nicht darüber reden.“
    „Ähm, okay“, macht Anna, aber ich kann an ihrer Nasenspitze ablesen, dass es ganz und gar nicht okay ist. Jedenfalls nicht für sie.
    „Schade“, meint Billi. „Manchmal hilft es nämlich. Manchmal sorgt Reden dafür, dass man die Dinge plötzlich von einem ganz anderen Standpunkt aus betrachtet.“
    „Bist du jetzt Psychologin, oder was?“ Ich fauche sie an. Billi zuckt zusammen. Meine heftige Reaktion tut mir auf der Stelle leid. „Sorry“, sage ich etwas milder, „aber ich will echt nicht darüber sprechen. Könnt ihr das bitte akzeptieren?“
    Sie nicken. Zuerst Synchronschnapping, jetzt Synchronnicking … Die beiden sollten das schleunigst zum Patent anmelden, als neue Trendsportarten vielleicht.
    Ich weiß, ich bin zynisch. Und ich tue meinen Freundinnen Unrecht. Auch das weiß ich. Aber. Ich. Will. Wirklich. Nicht. Darüber. Sprechen. Mit niemandem. Und schon gar nicht mit Phillip.
    Wie aus dem Nichts erscheint er plötzlich zwischen den anderen und baut sich vor mir auf.
    Billi und Anna treten einen Schritt zurück und betrachten angestrengt ihre Fußspitzen.
    „Wir müssen reden“, sagt er allen Ernstes.
    Ich starre ihn an.
    „Ich wüsste nicht worüber!“
    „Conni, bitte! Ich – “
    Ich drehe mich um und lasse ihn stehen. Während ich davonstapfe, spüre ich die Blicke der anderen in meinem Rücken. Einen Blick spüre ich besonders deutlich: Phillips. Wie ein glühender Pfeil bohrt er sich zwischen meine Schulterblätter und hakt sich mit seinen Widerhaken in mein Fleisch, als wolle er mich auf diese Weise dazu bewegen, stehen zu bleiben.
    Ich gehe weiter. Tränen laufen über mein Gesicht.
    Bin ich feige?
    Sollte ich ihn anhören?
    Ihm noch eine Chance geben?
    Vielleicht will er mir sagen, dass alles nur ein Irrtum war?
    Vielleicht hat er seine Reisepläne geändert?
    Vielleicht will er sich auch bei mir entschuldigen, weil er dummerweise ganz vergessen hat, mich darüber zu informieren, dass er demnächst

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