Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest

Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest

Titel: Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Hoßfeld
Vom Netzwerk:
Hause“, sage ich und ziehe meine Hand zurück. „Du kannst mir ja mal ’ne Postkarte schicken. Aus Berkeley!“
    Meine Stimme zittert, als ich das sage, und ich sehe, wie sehr es ihn trifft.
    „Conni, bitte!“
    „Nein, lass mich! Ist schon gut, ich hab’s kapiert!“ In Windeseile raffe ich meine Sachen zusammen und eile zur Tür.
    Er versucht nicht mal, mich aufzuhalten. Wie erstarrt steht er da und guckt mich an.
    „Warst du deshalb so weggetreten in der letzten Zeit?“, frage ich, die Hand schon auf der Türklinke. „Weil du Reisepläne geschmiedet hast? Oder ist da noch mehr, was du mir sagen möchtest?“
    Ich muss es wissen. Wenn er mir jetzt sagt, dass er eine andere hat – es könnte nicht schlimmer wehtun, als es ohnehin schon wehtut. Der Schmerz wäre genau gleich. Oder vielleicht würde er sich anders anfühlen. Aber es wäre egal. Alles ist egal. Die Enttäuschung wäre dieselbe.
    Er sagt nichts. Jedenfalls nichts von einer anderen.
    „Können wir nicht darüber reden?“, fragt er. „Ich würde es dir gerne erklären.“
    „Wozu?“, schleudere ich ihm entgegen. „Du hast dich doch längst entschieden!“
    Es stimmt. Ich sehe es an seinem Blick.
    Aufschluchzend drücke ich die Türklinke runter und fliehe aus seinem Zimmer, aus dem Haus.
    Als ich – tränenblind und zitternd vor Schmerz – auf dem Rad sitze, fühlt es sich an, als würde ich auch aus seinem Leben fliehen. Wenn es das ist, was er will: Das kann er haben!

Nie wieder Wolke sieben.

    Ich weiß nicht, wie ich nach Hause gekommen bin. Ich bin bei Rot über eine Ampel gefahren, daran erinnere ich mich vage, und in falscher Richtung in eine Einbahnstraße gebogen. Das Hupen der Autofahrer hat mich so wenig berührt, als hätte es nicht mir gegolten, sondern jemand anderem. Wenn ich gestürzt oder angefahren worden wäre, hätte es mich genauso wenig interessiert.
    Mein Rad werfe ich achtlos gegen die Hauswand. Natürlich fällt es um. Das Scheppern lässt mich kurz zusammenzucken, bevor ich mit zitternden Fingern die Tür aufschließe und ins Haus stürme. Meine Tasche mit den Badesachen werfe ich in den Flur. Sie kippt um. Mein Bikini fällt heraus. Nasser Bikini auf geöltem Holzfußboden. Mir doch egal.
    Meine Mutter ist in der Küche.
    „Conni?“, sagt sie, als ich, ein Schluchzen mühsam unterdrückend, an ihr vorbei- und die Treppe hinaufstolpere.
    „Jetzt nicht!“
    Ich reiße meine Zimmertür auf, knalle sie hinter mir zu und schließe ab.
    „Jetzt nicht!“, schluchze ich noch einmal. Ich ziehe die Vorhänge zu. Bloß keine Sonne mehr! Nie mehr blauer Himmel! Nie wieder Wolke sieben! Dann werfe ich mich aufs Bett, drücke mein Gesicht in die Kissen und fange endlich an zu weinen.
    „Conni!“ Meine Mutter klopft an. Als ich nicht antworte, rüttelt sie an der Türklinke. „Sagst du mir bitte, was passiert ist!“
    Ich hebe meinen Kopf.
    „Mir geht’s gut!“, schleudere ich gegen die geschlossene Tür. Natürlich ist es eine Lüge. Mir ging’s noch nie so beschissen.
    „Mach bitte auf“, drängelt meine Mutter.
    Kann sie mich nicht einfach in Ruhe lassen? Ich hasse sie!
    „Conni!“
    „Was?“
    „Mach sofort die Tür auf! Ich finde es nicht gut, dass du einfach so ins Haus stürmst und dich in deinem Zimmer verbarrikadierst. Ich wüsste gerne, was los ist!“
    „Nichts ist los!“, blaffe ich die Tür an und füge ein halblautes „Hau ab!“ hinzu.
    Einen kurzen Moment lang ist es ruhig, und ich glaube schon fast, dass meine Mutter aufgegeben hat. Aber das passt nicht zu ihr. Sie hat nur einen neuen Anlauf genommen.
    „Conni, wenn du jetzt nicht sofort diese Tür aufmachst – “
    Was dann? Will sie etwa das Schloss aufbrechen? Die Tür eintreten? Hält sie sich für Super-Mom?
    Stöhnend wühle ich mich aus meinem Bett, tapse zur Tür, drehe den Schlüssel rum und trete einen Schritt zur Seite.
    „Zufrieden?“, frage ich, als meine Mutter ins Zimmer kommt.
    Sie schaut mich an, als hätte ich ein Verbrechen begangen. Dabei will ich doch nur meine Ruhe haben.
    „Du weißt, dass ich keine abgeschlossenen Türen mag“, sagt sie, und ich sehe, wie sehr sie sich beherrschen muss, ruhig zu bleiben.
    „Ich will nicht, dass ständig jemand in mein Zimmer kommt!“, schnauze ich sie an.
    „Ständig ist ja wohl etwas übertrieben.“ Sie mustert mich kühl, analysierend und besorgt zugleich. Wie eine Ärztin, die einen problematischen Fall vor sich hat. Das kann sie gut. Schließlich ist sie Ärztin.

Weitere Kostenlose Bücher