Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest
meinen Vater an, aber der hypnotisiert gerade sein Schinkenbrot.
„Papa!“
„Thema durch“, sagt er und schiebt sich ein Stück Schinkenbrot zwischen die Zähne. Dank Lena weiß ich jetzt, was das bedeutet: Er will nicht mit mir darüber reden. Toll.
In meinem Zimmer begrabe ich meine Hoffnungen auf ein gemeinsames USA -Jahr mit Phillip. Bye-bye, Berkeley! Bye-bye, Kalifornien! Bye-bye, ihr fünf großen S! Bye-bye, my love, goodbye …
Wenn ich noch Tränen hätte, würde ich jetzt gerne eine Runde heulen, aber ich glaube, mein Tränenvorrat ist für die nächsten hundert Jahre erschöpft. Außerdem bringt Heulen mich auch nicht weiter.
Ich schnappe mir mein Laptop und logge mich ein. Lena ist nur noch selten im Chat. Die verbringt ihre Zeit inzwischen lieber auf kuscheligen Treckersitzen. Aber vielleicht kann ich ein bisschen mit Anna, Billi und Dina chatten und mich virtuell ausweinen.
Der Einzige, der on ist, ist Phillip. Das sehe ich sofort. Shit, ausgerechnet! Bevor ich mich heimlich, still und leise verkrümeln kann, hat er mich schon angestupst, als ob er nur auf mich gewartet hätte. Ich zögere und stupse schließlich zurück.
Hi, schreibt er. Wie geht’s?
Ich bin in Versuchung, mit drei Pünktchen zu antworten und mich wieder zu verdrücken, aber als meine Finger über der Tastatur schweben, überlege ich es mir anders. Im Chat heiße ich Mausekatze. Phillip nennt sich TacoTuesday.
Geht so, antworte ich in meiner Mausekatze-Identität.
Mir auch, tippt TacoTuesday zurück.
Eine Weile chatten wir belangloses Zeug hin und her, bis sich derkleinelustmolch und Seppi27 einmischen und blöde Witze machen.
Wollen wir telefonieren?, fragt TacoTuesday.
Gute Idee!, postet derkleinelustmolch. Ruf mich an, Schatz!
Seppi27 nickt dazu.
Ja, antwortet Mausekatze.
Phillip loggt sich aus. Ich auch. Mausekatze und TacoTuesday haben den Chat verlassen. Sollen sich derkleinelustmolch und Seppi27 miteinander amüsieren. Viel Spaß dabei!
Es dauert gerade mal drei Sekunden, bis mein Handy düdelt. Mein Herz klopft, als würde es jeden Moment zerspringen. Meine Hand, die das Handy hält, zittert. Die andere ballt sich zusammen.
„Ja?“, melde ich mich.
„Hi.“
Ich presse mir die Faust auf den Mund, um nicht laut aufzuschluchzen. Trotzdem kann ich nicht verhindern, dass mir die Tränen in die Augen schießen. Seine Stimme klingt so nah und so vertraut!
„Ja“, sage ich noch einmal. „Hi.“
„Schön, dass du wieder mit mir sprichst.“ Phillip seufzt kaum hörbar. „Ich muss dir so viel erzählen.“
„Das glaub ich auch.“ Ich hole tief Luft.
„Aber nicht am Telefon, oder?“, fragt Phillip.
„Nein, lieber nicht.“
„Wollen wir uns morgen sehen?“ Er fragt ganz vorsichtig, als hätte er Angst vor meiner Reaktion.
„Okay“, sage ich und räuspere mich. „Wo denn?“
Phillip schlägt den Park vor. „Um drei? An der Entenbrücke? Wir können ein bisschen spazieren gehen. Aber nur, wenn du willst.“
„Okay“, sage ich noch einmal. „Ist gut.“
Eine Träne kullert meine Wange hinunter und tropft auf Maus Fell. Er ist auf meinen Schoß gekrabbelt und hat sich dort zusammengerollt. Seine bloße Anwesenheit und die Wärme seines kleinen Körpers geben mir Kraft. Ich streichele ihn mechanisch und heule lautlos weiter.
„Dann sehen wir uns morgen“, sagt Phillip. Und, nach einer Pause: „Ich freu mich.“
Soll ich sagen, dass ich mich auch freue? Ein Teil von mir tut es, aber ein anderer Teil nicht. Ganz und gar nicht. Ich glaube, es ist der ängstliche Teil von mir, der sich nicht freut. Er fürchtet sich und würde der Begegnung mit Phillip lieber aus dem Weg gehen.
„Bis morgen“, sage ich schließlich und lege auf, bevor Phillip noch etwas sagen kann.
Mau schnurrt leise, als ich das Handy weglege. Ich vergrabe mein Gesicht in seinem warmen, weichen, tröstlichen Katzenfell. Schon bald ist es nass von meinen Tränen, aber mein lieber kleiner Kater schnurrt trotzdem weiter, als wolle er mir signalisieren, dass alles wieder gut wird. Ich weiß nicht, ob ich ihm glauben kann. Im Moment weiß ich gar nichts. Ich fühle mich einfach nur müde und leer.
Ein Schloss im Park nur für uns zwei.
Wie immer bin ich superpünktlich an unserem Treffpunkt. Ich bin sogar zehn Minuten zu früh da, weil ich so nervös bin und es nicht mehr ausgehalten habe, noch länger zu Hause zu sitzen und auf den Sekundenzeiger meiner Uhr zu starren. Trotzdem ist Phillip schon da. Er lehnt an dem
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