Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest
schlendern weiter und folgen dem Bogen, den der Weg beschreibt. Phillip hat einen Arm um mich gelegt. Ich lehne meinen Kopf an seine Schulter und komme mir wie die Hälfte eines ziemlich alten Ehepaars vor, das schon ein paar Stürme zusammen erlebt hat. Aber vielleicht ist das so, wenn man so alt ist wie ich jetzt. Dass man sich zwischendurch manchmal ganz schön erwachsen fühlt, ob man will oder nicht.
Phillip schlägt vor, dass wir etwas trinken. Der Pavillon ist ganz in der Nähe.
Ein paar Minuten später sitzen wir in der Sonne, haben jeder eine Cola vor uns, und der Nachmittag könnte eigentlich total schön sein. Die Betonung liegt auf könnte , denn natürlich geht es mir nicht schlagartig besser, nur weil wir uns wieder vertragen haben und unter einem bunten Sonnenschirm sitzen. Nee, die Enttäuschung hat sich nur irgendwo zwischengelagert. Und die Furcht vor dem, was noch kommen muss, bringt mein Herz aus dem Takt.
„Dieser Schüleraustausch … “, sage ich zögernd, weil ich es eigentlich gar nicht so genau wissen will. „Wann fängt der überhaupt an? Wann fliegst du weg?“
Phillip spielt mit dem Strohhalm in seinem Glas, stupst einen Eiswürfel an.
„Gleich am ersten Ferientag“, murmelt er.
Ich schnappe erschrocken nach Luft.
„Was? Du … du bist in den Sommerferien schon weg? Aber wir – “
Ich breche ab. Aber wir wollten doch so viel zusammen machen! , hallt der unausgesprochene Satz in mir. Auf dem Waldsee surfen. Schwimmen gehen. Im Garten meiner Eltern zelten. Lachen, tanzen, Musik hören, uns küssen. Jeden einzelnen Tag zusammen verbringen, von morgens bis abends, und vielleicht sogar nachts! Und jetzt soll ich den Sommer plötzlich alleine verbringen? Ohne ihn?
Ich fühle mich, als hätte ich den Kopf voller Seifenblasen. Pling!, pling!, pling!, macht es, als eine nach der anderen zerplatzt.
„Mein Vater und ich wollen eine Rundreise durch die USA machen, bevor er mich bei meiner Gastfamilie abliefert“, sagt Phillip. „Er hat ein paar Semester in Berkeley studiert. Mein Gastvater ist ein alter Studienfreund von ihm.“
Pling!, macht die letzte Seifenblase, während mein Gehirn versucht, das, was Phillip gerade gesagt hat, einigermaßen zu sortieren.
Vergeblich.
Ich umklammere mein Glas mit beiden Händen und habe Angst, es könnte zerbrechen. Am liebsten würde ich Phillip die Cola ins Gesicht schütten. „Schöne Grüße an deinen Vater!“, schleudere ich ihm stattdessen entgegen. Zwei Frauen am Nebentisch schauen interessiert herüber. Ich funkele sie böse an und spreche weiter. „Das habt ihr euch ja wirklich super ausgedacht! Und ihr scheint es schon ziemlich lange geplant zu haben. Ganz toll, vielen Dank! Habt ihr bei euren bescheuerten Planungen vielleicht auch mal daran gedacht, dass du eine Freundin hast? Oder bin ich nicht so wichtig? Anscheinend nicht!“
Ohne es gemerkt zu haben, bin ich halb aufgesprungen, aber irgendetwas in Phillips Blick zwingt mich dazu, mich wieder hinzusetzen.
„Er wollte die Reise mit mir machen, sobald ich sechzehn war, aber es ist immer wieder was dazwischengekommen. Es ist so eine Art Traum von ihm. Jetzt will er’s durchziehen, bevor ich erwachsen bin und ohne ihn verreise“, antwortet er ruhig. „Ich hab sogar mal versucht, es dir zu erzählen, aber du hast mir nicht zugehört.“
„Was?“ Wütend schiebe ich die Augenbrauen zusammen und denke nach. Es stimmt, Phillip hat mal darüber gesprochen. Aber das ist ewig lange her! Ich hab das damals überhaupt nicht ernst genommen. Wie denn auch?
Moment mal … War das vielleicht eines dieser Signale, von denen Lena neulich gesprochen hat? Wollte Phillip mir damals schon etwas mitteilen, und ich hab’s nur nicht kapiert, weil ich zu blöd war? Scheiße.
„Und wie lange bleibst du in … Berkeley?“ Ich kann nichts dafür, ich hasse diese Stadt, obwohl ich sie nicht kenne. Sie nimmt mir Phillip weg.
„Erst mal für ein halbes Jahr. Wenn ich will, kann ich auf ein ganzes verlängern.“
Ich schöpfe Hoffnung. Ein halbes Jahr nur?
„Dann bist du ja Weihnachten schon wieder zurück!“
„Nicht ganz“, sagt Phillip. „Aber kurz danach.“
„Und wenn du doch verlängerst – “, wende ich ein.
Phillip unterbricht mich. Er beugt sich über den Tisch und nimmt meine Hand. „Will ich aber nicht. Das weiß ich jetzt schon. Länger als ein halbes Jahr halte ich es ohne dich nicht aus.“
Er lächelt mich an, nein, er strahlt. Mir wird total warm ums
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