Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Leben in 80 B

Mein Leben in 80 B

Titel: Mein Leben in 80 B Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Goerz
Vom Netzwerk:
Tanzfläche entfernt, und drückte mir ein weiteres Glas grünlichen Sekt in die Hand.
    Aber ich mochte doch gar keinen Ziegenkäse. Der bitter-raue Beigeschmack war einfach nicht mein Fall. Und dieses Extravagante, Angesagte musste ich auch nicht haben. Also meinetwegen konnte Oke der Ziegenkäse sein.
    «Was ist denn eigentlich karamellisierter Ziegenkäse?» Gegessen hatte ich so etwas jedenfalls noch nie.
    «Haben wir neu auf unserer Lunchkarte. Da wird der Käse mit Honig karamellisiert, sodass er eine süße Kruste bekommt, und auf marinierter Wassermelone angerichtet. Das passt toll zu dem Käsegeschmack. Soll ich dir einen brutzeln?» Er machte Anstalten, sich wieder aus dem Sitzsack zu erheben.
    «Bloß nicht!»
    «War ja nur ein Angebot.» Oke ließ sich wieder zurückfallen und schaute über die Tanzfläche. Die Reihe der Gratulanten hatte sich gelichtet, inzwischen bewegten sich schon wieder die ersten zum Rhythmus der Musik. Oke wippte mit den Füßen im Takt. Er sah wirklich gut aus. Und anscheinend machte er sich nichts daraus. Oder er wusste es gar nicht – aber das war ungefähr so wahrscheinlich wie eine Ballermann-Bude am Strand von Westerland.
    «Willst du tanzen?» Was Oke an Kommunikationstalent fehlte, machte er mit seinem Körpereinsatz wieder wett. Millimeter für Millimeter rutschte er näher an meine Seite. Abstand halten war auf diesen Säcken ohnehin nicht möglich.
    Eigentlich wollte ich jetzt am liebsten sofort nach Hause. Die Dinge, die mir durch den Kopf gingen, wollte ich nicht denken. Keine Sekunde wollte ich mein Leben in Frage stellen. Es war doch alles gut. Und schon so lange. Ich würde mich zu meinem kleinen Tom ins Bett kuscheln und an seinen Himbeer-Shampoo-Haaren schnuppern und dann einen Blick auf meine große schöne Tochter werfen, um anschließend zu Toni zu gehen und ihm seinen Pyjama auszuziehen. Und morgen wäre ein Tag wie jeder andere.
    Wahrscheinlich war es sowieso nur eine Art Sport für Oke, nach Feierabend Frauen aufzureißen. Suppe, Zwischengang, Hauptgericht und Dessert und zur Nacht dann Liebesknochen, direkt am Gast serviert.
    «Nö, ich tanz nicht so gerne.»
    «Dann erzähl mir mehr von dir. Elissa hat gesagt, du wolltest mal Fotografin werden?»
    «Ach, das ist lange her. Inzwischen gebe ich Dessous-Partys und kümmere mich um meine Familie. Ich habe einen Sohn und eine Tochter, und mein Mann arbeitet ziemlich viel in seiner eigenen Werbeagentur.» Klang das wehleidig und unzufrieden?
    «Dessous-Partys?!» In dieser Hinsicht war Oke wohl nicht anders als andere Männer.
    «Klingt aufregender, als es ist. Lauter Frauen auf einem Haufen, die sich mit Prosecco volllaufen lassen und von heißen Nächten in Spitzenunterwäsche mit Strapsen und Tangas träumen.»
    «Und wovon träumst du?» Oke sah mich fragend an.
    Ich spürte, wie mir die Röte in die Wangen schoss. «Nur weil ich diese Partys veranstalte, heißt das nicht, dass ich selbst mein bestes Model bin. Wenn du erwartet hast, dass du gleich eine kostenlose Vorführung meiner Ware bekommst, liegst du daneben.» Ich trank schnell noch einen Schluck und überlegte, wie ich am besten das Thema wechseln konnte. «Was war denn das Ekelhafteste, das du je gegessen hast?»
    Oke musste nicht lange nachdenken: «Rohes Affenhirn, in Thailand.»
    «Würg!»
    Das war mir unvermittelt herausgerutscht – diese kulinarische Besonderheit löste bei mir allein beim Zuhören einen Ekelanfall aus. Mich gruselte es meist schon beim Anblick von Innereien in der Fleischertheke.
    «Für andere Kulturkreise ist unser Essen auch oft eklig. Käse zum Beispiel ist eigentlich schimmelige Milch, und Tatar ist rohes Fleisch. Aber in Thailand habe ich sehr viele ungewöhnliche Dinge gekostet. Oft war ich froh, dass mir erst nach dem Essen gesagt wurde, was ich da gespachtelt hatte.» Er schüttelte sich.
    «Bist du vor allem in Asien unterwegs gewesen?»
    «Nee, fast überall, wo gekocht wird.» Oke konnte das sagen, ohne dass es nach Angeberei klang. «Mit achtzehn bin ich abgehauen – ich wollte etwas von der Welt sehen und vor allem schmecken. Nichts gegen meinen Onkel, der ist ein toller Koch. Aber ich wollte mal was anderes machen als Scholle Finkenwerder Art und Rührei mit Krabben.» Er zuckte mit den Schultern.
    «Und dann bist du ganz alleine losgezogen?» Die Vorstellung, ohne Freundin oder Familienangehörige mein Heim zu verlassen und in Länder zu reisen, die ich nicht einmal schreiben konnte, war für mich

Weitere Kostenlose Bücher