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Mein Leben in 80 B

Mein Leben in 80 B

Titel: Mein Leben in 80 B Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Goerz
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deine Dessous und meine liebsten Restaurants.» Wenn ich mir ansah, mit welcher Geschwindigkeit sie die rote Flüssigkeit wegkippte, wollte Elissa diese Idee anscheinend sofort in die Tat umsetzen. «Ich bin deine Freundin, und das bleibe ich auch, obwohl die verdammte Suppe inzwischen kalt ist. So einen Geburtstag hatte ich jedenfalls noch nie.»
    Das klang für mich nach einem vernünftigen Plan: alles erst einmal sacken zu lassen, meine Gefühle zu prüfen und ansonsten das Leben laufen zu lassen. Vielleicht war es an der Zeit, das zu lernen. Und es war mit Sicherheit an der Zeit, die Suppe zu essen.

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    11. Kapitel
    Nach einer nahezu schlaflosen Nacht, in der mir viele Gedanken durch den Kopf schwirrten, schickte ich eine SMS an Oke. Ich bat ihn um Verständnis und darum, mir nicht böse zu sein. Er antwortete nicht, und ich kam zu keinem Ergebnis, ob ich deswegen nicht vielleicht doch ein bisschen enttäuscht war.
    Elissa nahm sich am Morgen Zeit für ein ausgiebiges Frühstück mit mir, anschließend wollte sie in die Redaktion.
    «Tut mir leid, Süße, ich wäre gern noch ein wenig mit dir durch die Stadt gebummelt oder hätte dich wenigstens zum Bahnhof gebracht. Aber heute muss ich mich um das Sonderheft kümmern, sonst hole ich das nie wieder auf», entschuldigte sie sich, bevor sie eingehüllt in die Kaschmir-Strickjacke, die sie nach unserem Strandausflug endlich ausgepackt hatte, verschwand.
    Nachdem ich das Frühstücksgeschirr abgeräumt und alle Essensreste in den Kühlschrank gestellt hatte, schminkte ich mich und packte meine Sachen zusammen. Ich hatte keine Lust, noch einmal alleine bummeln zu gehen. Mir war auch nicht nach einem Kaffee zwischen lauter fremden Menschen in einem Restaurant oder Café. Immer wieder fragte ich mich, ob meine Entscheidung richtig gewesen war, Oke vor meiner Abfahrt nicht mehr zu treffen. Womöglich würde es mir leichter fallen, wieder nach Falkensee zu fahren, wenn ich mich vorher Auge in Auge mit ihm ausgesprochen hätte. Vermutlich wäre mein Gewissen dann reiner, und ich könnte mich davon überzeugen, dass ich wirklich nichts für ihn empfand.
    Aber stattdessen kuschelte ich mich auf Elissas gemütliches Sofa und versuchte zu lesen. Als ich zum dritten Mal einen Artikel über eine besondere Art las, eine Pute vor dem Braten einzulegen, und nichts davon in meinem Hirn ankam, gab ich auf und schaltete den Fernseher ein. Nachrichten, Eiskunstlauf, eine Wiederholung von
Wetten, dass
?, eine Gerichtsshow und ein Boulevardmagazin konnten mich auch nicht fesseln. Vermutlich war es am besten, wenn ich zum Bahnhof fuhr und die verbleibende Stunde dort wartete, die Reisenden beobachtete und so die Zeit gedankenlos vertrödelte.
    Meine schweren Koffer schleppte ich einzeln zum Fahrstuhl. Auf meine Frage an den Taxifahrer, ob er mir beim Tragen helfen könne, rief er nur in die Gegensprechanlage: «Neee, dat geiht nich, junge Fruu. Dor hett mi ook keen een wat vun seggt in de Zentrale. Ik heff dat inne Rüch.»
    Von wegen, was im Rücken und die Zentrale hätte ihm nichts von Helfen gesagt. Wahrscheinlich hatte der Penner schon vor dem Klingeln das Taxameter angestellt. Männer!
    Die Fahrt zum Bahnhof gestaltete sich zäh. Es hatte angefangen zu schneien, und die dicken weißen Flocken bildeten sofort eine matschige, rutschige Schicht auf den überfüllten Straßen.
    «Nu kiek di dat mol an. Dat is doch jümmers dat sölbige. Dor lannen mol een oder twee Flocken Schnee bi uns un allns is to laat. Wat blieven de Lüüd nich tohus, wenn se dat nich köönt mit dat dore Autoföhrn bi düsset Wedder», lamentierte und meckerte und analysierte der Taxifahrer auf Plattdeutsch weiter.
    Ich ließ mich von seinem leiernden Ton und der Wärme im Auto einlullen und beobachtete die Menschen auf der Straße. Einige schoben ihre Fahrräder, andere hatten sich die Kapuzen und Mützen tief in die Stirn gezogen. Nahezu allen war anzusehen, dass sie sich lieber an einem Strand auf einem Liegestuhl den Rücken mit Sonnenmilch einreiben lassen würden, als hier durch das winterliche Westerland zu stapfen.
    Nachdem der Fahrer mit den Rückenbeschwerden mich meine Koffer auch wieder selbst aus dem Kofferraum hatte hieven lassen, zeigte er sich kurz beleidigt aufgrund des niedrigen Trinkgelds, ließ die Fensterscheibe auf der Beifahrerseite schnell und ohne ein Wort des Abschieds nach oben gleiten und düste davon.
    Ich schleppte mein Gepäck an den grünen Reisenden Riesen

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