Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Leben in 80 B

Mein Leben in 80 B

Titel: Mein Leben in 80 B Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Goerz
Vom Netzwerk:
Zusätzen.»
    «Vielleicht nehme ich erst einmal die Kraftbrühe mit Flädle, und danach suche ich das Hauptgericht aus», überlegte ich laut. «Ich habe einen unglaublichen Hunger.»
    Elissa sah kurz auf ihre Handyuhr, legte die Speisekarte auf den Tisch und stand auf. «Kannst du dann bitte für mich mitbestellen, falls jemand fragt? Ich nehme auch die Suppe und dann das Tagesgericht. Lass dir einen Wein empfehlen, der dazu passt. Ich gehe kurz auf die Toilette.»
    Ich nickte und vertiefte mich wieder in die Karte. Alles las sich so unglaublich lecker. Ich schwankte noch zwischen Gulasch vom Black Angus Rind mit Rotkohl und Sylter Kartoffeln und Leberkäse von der Metzgerei Maier, als ich plötzlich Hände auf meinen Schultern spürte. Jemand küsste meinen Scheitel, und mir wurde auf der Stelle so heiß, als stünde ein Saunaofen neben meinem Stuhl.
    Dann setzte Oke sich mir gegenüber auf Elissas Platz und lächelte mich an. «Moin.»
    «Hallo.» Ich bekam eine Gänsehaut am ganzen Körper.
    «Elissa hat mir eine SMS geschickt, dass ihr hier seid. Ich wollte mit dir sprechen.»
    «Das ist jetzt gerade nicht so günstig. Elissa ist nur auf der Toilette und kommt gleich zurück, und wir sind sehr hungrig, und ich muss das Essen für uns bestellen.»
    Was redete ich denn da für einen gequirlten Mist? Und dies und das, Oke musste denken, dass ich in meinem Alter schon an ersten Ausfällen der Gehirntätigkeit litt. Brach mir etwa gerade der Schweiß aus? Setzten jetzt auf einen Schlag die Wechseljahre ein?
    «Ilse, warum bist du heute früh einfach verschwunden? Warum hast du dich den ganzen Tag nicht gemeldet? Ich hatte gestern nicht den Eindruck, dass wir irgendetwas gemacht haben, was du nicht gewollt hättest. Ganz im Gegenteil.» Er sah traurig aus.
    «Oke, ich bin verheiratet und zweifache Mutter. Und du bist so jung, dass du fast mein Sohn sein könntest.» Gut, dass ich mir nicht selber zuhören musste. Das war ja schlimmer als in einem Rosamunde-Pilcher-Film. «Ich habe keine Ahnung, was zwischen uns gelaufen ist, aber viel kann es nicht gewesen sein. Immerhin war ich heute Morgen noch komplett angezogen.»
    «Hast du eine Ahnung, was man trotz Klamotten alles anstellen kann!» Oke versuchte zu grinsen, zog aber eher eine Grimasse. «Ich mag dich, Ilse. Du sahst so hilflos und allein aus, wie du da neben Elissa im Restaurant gesessen hast. Als du anfingst zu essen, konnte ich fast fühlen, wie ausgehungert du bist. Nicht nach Lebensmitteln, sondern nach Erlebnissen und Abenteuern, ausgehungert nach Neuem und Besonderem. Natürlich wusste ich, dass du verheiratet bist und dass du das auch gern bist. Aber ich habe eben auch gesehen, dass es vielleicht eine Lücke zu füllen gibt. Nicht nur mit ausgezeichnetem Essen. Der Gedanke, diese Lücke zu füllen, hat mich von Anfang an gereizt.»
    Was für eine Rede für den wortkargen Mann von der Küste. Und ich musste zugeben, er hatte nicht ganz unrecht. Besonders viele neue Dinge hatte ich in den vergangenen Jahren nicht erlebt. Doch bisher hatte ich das eher als beruhigend und angenehm empfunden, weil ich wusste, was mich erwartete. Überraschungen bedeuteten für mich Unruhe, darauf konnte ich verzichten. Genau wie auf die Unruhe, die dieser schöne Mann gerade in mein Leben brachte.
    «Oke, ich …»
    «Ja, ich weiß.»
    Da hatte er mir einiges voraus. Ich wusste nämlich momentan gar nichts. Vermutete allerdings, dass gleich Kurt Felix auftauchen würde, um mit der versteckten Kamera mein blödes Gesicht abzufilmen.
    «Oke, es ist nichts passiert. Ein Kuss, über den ich ein bisschen länger nachdenken muss als über die Folge einer Vorabendserie, aber das war’s auch schon. Ich fahre morgen nach Hause zu meiner Familie und werde dich in besonderer Erinnerung behalten.» Hatte ich tatsächlich gerade einen dermaßen blöden Satz von mir gegeben?
    Oke stand auf. «Das wollt ich ja bloß wissen. Na denn … tschüs.» Abwartend blieb er neben meinem Stuhl stehen.
    Ich sah mich über die Schulter nach Elissa um. Die musste doch langsam von der Toilette zurückkommen und mich aus dieser Situation retten? Noch immer stand Oke da und starrte mich an. Das Personal in der Sansibar war so feinfühlig, ihn nicht nach seinen Getränkewünschen zu fragen, was mir jetzt als Ablenkung gerade recht gewesen wäre. Der Typ an der Bar nickte Oke zu. Klar, unter Wirtsleuten kannte man sich.
    Oke winkte zurück und klopfte dann auf den Tisch. «Na denn, man sieht sich.» Und

Weitere Kostenlose Bücher