Mein Leben in 80 B
ihn einfach nur an.
«Ilse? Ilse, bist du das? Das ist ja ein Ding, dass wir uns ausgerechnet hier treffen. Ich fasse es nicht.»
Auf einmal sah ich mich einer grinsenden Sylvia gegenüber. Sie trug ein totes Tier mit Ärmeln dran und winkte ihren Taschen schleppenden Ehemann heran. «Herzi, schau doch mal, wer da ist. Meine Schulfreundin Ilse und …?»
«Wenn ich euch vorstellen darf: Sylvia, das ist Oke, ein Freund von Elissa. Oke, das ist Sylvia, eine alte Schulfreundin, die jetzt in Potsdam wohnt, in der Nähe von Falkensee.»
Oke schüttelte Madame Doppel-D und ihrem bemitleidenswerten Lebenspartner die Hand. «Freut mich. Moin.»
«Ach so, ein Freund von Elissa? Die hast du hier besucht?» Ich wünschte, ich könnte Sylvia irgendwie das bescheuerte Grinsen aus dem Gesicht wischen.
«Ja, also … nein. Elissa hat ihren vierzigsten Geburtstag gefeiert, und Oke hat für das Fest gekocht.»
«Ach, verstehe, dann hast du dich gerade einfach nur bedankt.» Sylvia lachte blöd und musterte Oke von Kopf bis Fuß. «Bei dem Altersunterschied wäre jede andere Vermutung ja auch schwachsinnig. Hahahahaha.» Sylvia freute sich über ihren Witz, bohrte aber gleich noch etwas tiefer in der Wunde. «Und Toni ist noch ein paar Zeitschriften kaufen gegangen?» Sie sah sich nach meinem Mann um.
«Toni ist zu Hause und kümmert sich um die Kinder. Das war ein reines Freundinnen-Wochenende.»
Ich konnte förmlich mitlesen, wie sich unsichtbare Untertitel unter diesen Satz drängten: Ja, glaub mir, du blöde Pute! Und hör auf, Oke so anzustarren!
Sylvias Mann schien die ganze Situation höchst unangenehm zu sein. Er griff schnell nach einer Illustrierten vom Tisch und blätterte darin herum.
«Ach so, ein Freundinnen-Wochenende. Eigenartig, dass wir uns gar nicht gesehen haben, wir sind auch schon seit Freitag hier. Hatte ich doch erzählt, dass ich Manfred zu einer Tagung begleite, um ein paar Weihnachtseinkäufe zu machen. Die Suite im Mirabell war ein Traum. Mein erstes Weihnachtsgeschenk habe ich auch schon bekommen. Toll, oder? Echter Zobel.» Sylvia drehte sich um die eigene Achse, um uns ihren Pelzmantel von allen Seiten vorzuführen.
Ich fand Pelzmäntel seit jeher ekelhaft, und an Okes Gesichtsausdruck las ich ähnliche Empfindungen ab. Er hatte sich einen Schritt abseits gestellt und trank von meinem Kaffee, der inzwischen kalt sein musste.
«Also, wir müssen dann auch mal. Wir wollten noch schnell ein Piccolöchen und ein paar Knabbereien für die Fahrt besorgen, bevor wir uns in den Zug setzen.» Sie lächelte Oke vielsagend an und schenkte mir dann ein bedauerndes Lächeln. «Normalerweise könnten wir unterwegs weiterreden, aber wir haben reservierte Plätze in der ersten Klasse und fahren nur bis Hamburg, weil mein Männe da morgen noch einen Termin hat, und du …»
«Ich fahre in der zweiten Klasse und weiß noch gar nicht genau, wo ich sitze. Das Geld für die Reservierung spare ich mir, allein findet man ja eigentlich immer einen Platz», entgegnete ich.
«Ach, ich dachte, dein Koch würde dich begleiten.» Sylvia grinste Oke frech an und leckte sich anzüglich über die Lippen. «Schade. Mit Ihnen hätte ich mich gern länger unterhalten», ließ sie ihn wissen. Dann packte sie ihren Manfred, der erschrocken das bunte Magazin wieder auf den Tisch fallen ließ, und zog ab in Richtung Champagner – nicht ohne ein: «Tschüssi, wir sehen uns, Ilselein. Du musst unbedingt vor Weihnachten noch einmal mit deinen Sachen nach Potsdam kommen, Manfred ist ganz wuschig geworden von den Dessous, die ich bei dir gekauft habe. Und meine Yogagruppe möchte auch bei dir shoppen.» Weg war sie.
«Scheiße! Ausgerechnet die doofe Kuh muss hier auftauchen und mich mit dir sehen. Wahrscheinlich weiß der ganze Landkreis von dir und mir, bevor ich überhaupt einen Fuß auf den Falkenseer Bahnsteig gesetzt habe. Verdammte Kacke, was erzähle ich jetzt Toni?» Ich hätte mich schwarz ärgern können über mein miserables Talent, anderen etwas vorzumachen.
«Was gibt es denn da zu wissen? Und was soll sie bitte gesehen haben?» Oke sah jetzt richtig traurig aus, und es brach mir beinahe das Herz.
«Oke. Ich kann das nicht. Du bist wirklich niedlich, und ich hab dich gern. Aber ich werde nicht mein Leben in Falkensee aufgeben, nur wegen eines tollen Kusses und einer Nacht in einem fremden Bett. Während der ich noch dazu komplett angezogen war.»
«Aber das heißt doch nichts.» Er stand da wie ein einziges
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