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Mein Leben in 80 B

Mein Leben in 80 B

Titel: Mein Leben in 80 B Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Goerz
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vorbei, die inzwischen zarte weiße Schneemützen bekommen hatten, über den Bahnhofsvorplatz, durch die Halle und die grün-weißen Holztüren hindurch bis zum Platz vor den Bahnsteigen und hier in das kleine Café. Dort ließ ich mich auf einem der unbequemen hohen Barhocker nieder. Natürlich musste man sich den Kaffee selber holen, hier kam niemand an den Tisch und fragte nach Wünschen. Wäre ja auch zu schön gewesen. Da ich noch über eine Stunde Zeit hatte, bat ich einen älteren Herrn am Nebentisch, auf meine Koffer zu achten, holte mir einen großen Milchkaffee und bediente mich großzügig bei den ausliegenden Zeitschriften. Obwohl ich eigentlich keinen Hunger hatte, kramte ich aus meiner Handtasche eine große Tafel Schokolade hervor und blätterte mich dann durch die Skandale und Gerüchte in der Welt der Stars und Sternchen. Dann piepte mein Handy und zeigte eine Kurznachricht an.
    Wir wünschen dir eine schöne Heimreise und freuen uns, dass du bald wieder zu Hause bist. Tausend Küsse von uns allen, Toni.
    Ich hatte gerade zu Ende gelesen, als die nächste Nachricht eintraf.
    Süße, hatte gehofft, ich erwische dich noch, wollte dich mit einer ausgedehnten Mittagspause überraschen, nun bist du schon weg. Komm gut nach Hause und bald wieder her. Wenn ich etwas tun kann, lass es mich wissen. Wir hören voneinander per E-Mail. Sei gedrückt, Elissa.
    Im Grunde war ich froh, dass wir uns verpasst hatten. Den ganzen Morgen hatten wir beide versucht, das Thema Männer zu umschiffen. Das hatte mehr als einmal zu verlegenem Schweigen und unangebrachten Lachern geführt. Ich wollte in Frieden mit meiner Freundin auseinandergehen. Vielleicht hatte sie ja recht mit ihren Anschuldigungen, aber im Moment wollte ich das nicht hören.
    Piep-piep. Noch eine Nachricht traf ein, bevor ich Toni oder Elissa antworten konnte.
    Gute Reise.
    Oke hatte nicht einmal seinen Namen unter den Text gesetzt, aber anhand der abgespeicherten Telefonnummer konnte ich die SMS zuordnen. Wie sollte ich das denn jetzt verstehen – wirklich als guten Wunsch? Oder war das eher ironisch gemeint, im Sinne von: «Verpiss dich, blöde Ziege!» Noch in Gedanken, tippte ich Grüße an meine Lieben in Falkensee ins Handy, danach wollte ich Elissa kurz schreiben.
    «Moin.» Auf einmal stand Oke neben mir, stützte seinen Ellenbogen auf den Tisch und sah mir direkt in die Augen.
    Sofort fing mein Herz an zu hämmern, und ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg.
    «Oke! Was machst du denn hier? Ich … ich habe gerade erst deine Nachricht gelesen …»
    Wow, roch der Mann gut – irgendeine geheime Zutat war definitiv in seinem Aftershave. Mir wurden die Knie weich bei seinem Vanilleduft.
    «Ich hole hier einen Gastkoch ab. Der kommt aus Berlin und will sich für zwei Tage meine Mannschaft in Aktion begucken. Da dachte ich, die kenn ich doch. Wollt nur schnell persönlich tschüs sagen.» Sicher war ihm nicht bewusst, wie gut er aussah mit seinen von der Kälte geröteten Wangen, in der dicken Steppjacke und den engen Jeans.
    Ich saß auf meinem Hocker wie angenagelt. Der Kaffee schmeckte plötzlich wie Katzenpipi. Oke stand da und sah mich an.
    «Ja, also denn – tschüs, nä. Man sieht sich.» Er schickte sich an, zum Bahnsteig zu gehen.
    Offensichtlich war Oke enttäuscht von mir. Auf jeden Fall war er mit einem Mal zu seiner friesischen Wortkargheit zurückgekehrt. Nach Wohlgefühl hörte sich das nicht an. Und ich saß da wie ein Backfisch und hatte keine Ahnung, was ich sagen oder tun sollte. Auf keinen Fall wollte ich, dass Oke jetzt einfach verschwand, so viel war mir wenigstens klar. Deshalb griff ich nach seiner Hand.
    «Oke? Es tut mir leid, wenn ich dich verletzt habe. Das wollte ich nicht.» Immerhin zog er seine Hand nicht gleich wieder weg.
    «Was genau tut dir leid? Dass wir uns geküsst haben?»
    Wie sollte man denn bei diesem Anblick vernünftig nachdenken? Diese gesprenkelten Augen, deren knallblaue Farbe ich nur erkennen konnte, wenn ich ganz nah vor ihm stand. Diese sinnlichen Lippen, die so wunderbar küssen und strahlend lächeln konnten. Am liebsten hätte ich diesen attraktiven Typen in einen meiner großen Koffer gepackt und am Ende der Welt ein neues Leben mit ihm begonnen. Auch wenn dieses böse kleine Männchen in meinem Kopf mich mit fiesen Hammerschlägen ständig an meine Kinder und meinen Mann in Brandenburg erinnerte. Also rutschte ich lieber doch ein wenig von Oke ab, ließ seine Hand los und sah

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