Mein Leben in 80 B
ausgeflogen sein. Dann würde ich eben mit dem Auspacken meiner Koffer beginnen und mir anschließend ein großes Glas Rotwein gönnen.
Mit einem Teller Käsewürfel, Oliven und Gurkenscheiben sowie einem Glas Spätburgunder machte ich es mir wenig später auf einem der Sofas gemütlich. Nach diesen Wohnzimmermöbeln hatten Toni und ich lange gesucht. Die Sofas sahen aus wie in einem Hollywoodfilm, und man saß darin wie auf Wolken. Die sanften Farben des ruhigen Blumenmusters passten perfekt zum dunklen Holzfußboden des Wohnzimmers.
Ich hatte mich gerade auf dem Sofa vor dem Fernseher eingekuschelt, als die Wohnungstür aufgerissen wurde.
«Mami, Mami, endlich bist du wieder da! Wir waren Pizza essen, das war so was von lecker. Ich hatte eine große Erwachsenenpizza mit extra scharfer Salami. Hast du mir was mitgebracht?» Tom flog mir in die Arme und schmiss sich dann zu mir auf das Sofa.
«Natürlich habe ich dir etwas mitgebracht. Liegt in deinem Zimmer auf dem Bett. Dein Geschenk auch», sagte ich an Hanna gerichtet. Tom sprang wieder auf und rannte in freudiger Erwartung zu seiner Überraschung.
Meine Tochter war zusammen mit Oma Etti und Toni hinter Tom hereingekommen und nickte mir so lässig zu wie einer entfernten Verwandten. «Hi, Mum.» Dann verschwand sie betont uninteressiert ebenfalls in Richtung ihres Zimmers.
Ich stand auf, um Mann und Schwiegermutter zu begrüßen. Schon jetzt kam ich mir vor, als stünde auf meiner Stirn in roter Leuchtschrift «Betrügerin» geschrieben.
«Ilselein. Hattest du eine gute Heimfahrt? Ich dachte, du kommst erst um zehn.» Oma Etti warf Toni einen vorwurfsvollen Blick zu. «Wir lassen es uns gutgehen, und du wirst bei diesem fürchterlichen Wetter nicht einmal vom Bahnhof abgeholt. Das auch noch, Käsewürfel und Rohkost. Ich wärme dir schnell meine Suppe von heute Mittag auf. Die Kekse, die wir gebacken haben, musst du auch probieren.» Oma Etti war in ihrem Element. Kopfschüttelnd verschwand sie in der Küche.
Schließlich kam Toni näher und schaute mir in die Augen. «Du siehst irgendwie anders aus.»
«Wie anders?» Mir wurde heiß. Ich fühlte mich, als würde die Leuchtschrift auf meiner Stirn anfangen zu blinken.
«Ich weiß nicht so genau. Vielleicht … weicher. Ja, so würde ich das beschreiben.» Er küsste mich auf beide Wangen und setzte sich mit mir aufs Sofa.
«Weicher? Was meinst du denn damit?» Vielleicht doch zu viel des guten Essens? Ich hatte noch keine Gelegenheit gehabt, mich auf die Waage zu stellen.
«Wahrscheinlich hast du dich einfach gut erholt», erklärte Toni seinen Eindruck. «Wie war’s denn? Hast du dir auch die Insel angesehen, oder war es zu kalt? Ich glaube, ich war das letzte Mal vor zwanzig Jahren auf Sylt», erinnerte er sich. «Mit ein paar Studienkollegen. Da sind wir mit der Fähre von Rømø nach List gefahren und haben ein paar Tage auf der Insel gezeltet. Vielleicht sollten wir im Sommer mal nicht an die Ostsee fahren, sondern lieber nach Sylt?» Toni nahm sich mein Weinglas und trank einen Schluck. «Tut mir leid, dass ich dich nicht abgeholt habe. Ich war fest davon überzeugt, du würdest erst später kommen, und hatte mir extra noch im Internet die Verbindungen von Hamburg rausgesucht.»
«Ist nicht schlimm, ich bin ja jetzt da. Soll ich dir auch ein Glas Wein holen?» Ich wollte mich gerade aus den weichen Polstern schälen, doch Toni zog mich in seine Arme.
«Schön, dass du wieder da bist», flüsterte er mir ins Ohr.
Was sollte ich darauf antworten? Vielleicht: «Na ja, mal sehen, ob das wirklich so schön ist»? Zu meiner Rettung erschien Oma Etti mit einem dampfenden Teller Suppe in der Tür, und Toni rückte ein Stückchen von mir ab. Männer und ihre Mütter eben.
«So, mein Herzchen, hier ist etwas Warmes für dich. Erzähl, wie war es auf Sylt? Wie war das Wetter, und wen hast du auf der Geburtstagsparty getroffen?» Etti setzte sich auf das Sofa uns gegenüber und sah mich erwartungsvoll an.
Also berichtete ich vom glatten und menschenleeren Strand, dem endlos scheinenden Grau des Meeres, schwärmte vom wunderbaren Essen und brachte die beiden mit Restaurant-Tester-Geschichten von Elissa zum Lachen. Währenddessen versuchte ich, jeden Gedanken an Oke auszuklammern, und fühlte mich einfach grauenhaft.
Zum Glück ging Toni früh schlafen und störte sich nicht daran, dass ich mit Etti noch einen Krimi schauen wollte. Rein körperlich schien er mich wohl nicht allzu sehr vermisst zu
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