Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Leben in 80 B

Mein Leben in 80 B

Titel: Mein Leben in 80 B Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Goerz
Vom Netzwerk:
meiner Tochter und sie vertraut mir nicht?», plusterte Toni sich auf.
    Doch ihm war klar, dass ich recht hatte. Hanna war in einem schwierigen Alter. Wenn man etwas von ihr erfahren wollte, musste man darauf warten, dass sie von sich aus erzählte. Aber da war Toni ganz der italienische Papa.
Seine
Tochter durfte sich nicht an irgendeinen Bengel aus der Schule verschwenden. Sollte er herausfinden, dass ein Junge sie zum Rauchen oder Trinken verführte, konnte der nur hoffen, nie auf den eifersüchtigen Beschützer-Vater zu treffen. Hanna würde immer sein kleines Mädchen bleiben – küssen war da schon hart an der Grenze. Dass unsere Tochter mittlerweile mit Damenbinden ebenso selbstverständlich umging wie mit Mascara und die Absätze ihrer Schuhe in den vergangenen Jahren um einige Zentimeter gewachsen waren, hatte er schlichtweg ignoriert. Peter Pan war nichts gegen meinen blauäugigen Mann.
    «Dann lass uns Sushi bestellen. Wenn Hanna später nach Hause kommt, wird wenigstens nichts kalt.» Toni stellte seinen leeren Kaffeebecher neben die Spüle und gab mir einen zarten Kuss auf die Wange. «Ich gehe dann mal an meinen Computer.»
    «In Ordnung. Kannst du bitte checken, ob Tom die halbe Stunde Spielzeit noch im Blick hat?» Ich deutete nach oben in Richtung der Kinderzimmer.

[zur Inhaltsübersicht]
    17. Kapitel
    Am frühen Abend kam Hanna mit roten Wangen und strahlenden Augen nach Hause. Sie reagierte abwesend auf alle Fragen, die ich ihr zum Schultag und ihrer Freundin stellte. Die Sushis schaufelte sie gleichgültig in sich hinein. Ganz klar, an unserem Tisch saß ein verliebter Teenager. Und der kleine Bruder dieses Teenagers war natürlich unsensibel genug, diesen höchst privaten Zustand zum Tischgespräch zu machen.
    «Hanna, warum packt dein Freund dich eigentlich beim Küssen am Hintern an? Hat der Angst, dass du ihm abhaust?» Tom musste über seinen eigenen Witz so sehr lachen, dass ihm die Reiskörner aus dem Mund flogen.
    «Was für ein Freund?» Hanna war die Unschuld selbst. Wäre dieses sphinxhafte Lächeln nicht gewesen, hätte ich ihr sogar geglaubt. Aber wer einen kleinen neugierigen Bruder auf derselben Schule hat, braucht keine Feinde.
    «Dieser Typ aus deiner Parallelklasse mit den komischen Haaren, hab ich doch gesehen, wie der dich heute abgeknutscht hat. Matthie und ich mussten danach erst mal kotzen gehen.» Tom machte Würgegeräusche.
    «Tom! Nicht beim Essen!» Immerhin hatte unser Sohn es geschafft, Toni aus seinen Gedanken zu reißen, der bisher ähnlich verträumt wie meine Tochter am Tisch gesessen hatte.
    «Aber das stimmt, Papa. Echt, Mann.» Tom griff beleidigt nach weiteren Sushi-Röllchen mit Gurkenfüllung und schüttete reichlich Sojasoße darüber.
    Toni sah Hanna streng an. «Vielleicht klärst du deine Eltern darüber auf, wer dieser Junge ist, über den Tom so gut Bescheid weiß», versuchte er es mit väterlicher Güte. «Kennen wir ihn?»
    Hanna wurde rot. «Ich hab doch gesagt, ich hab keinen Freund.»
    «Hanna. Du kannst uns alles sagen. Wir sind nicht nur deine Eltern, sondern auch deine Freunde.» Toni klang wie ein alter Onkel in einem Mafiafilm.
    Hanna verdrehte die Augen. Zu Recht, wie ich fand. Selbst ein Mann musste doch merken, dass sie sich bei jedem weiteren Nachfragen nur weiter verschloss.
    «Weißt du, Mama und ich, wir würden gern an deinem Leben teilhaben, aber du erzählst uns ja nichts mehr. Und manchmal mache ich mir einfach Sorgen, man hört doch immer wieder von Jugendlichen, die Drogen nehmen oder auf Partys so viel Alkohol trinken, dass sie ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen, oder …» Derartigen Unsinn hatte Toni doch früher nicht von sich gegeben?
    «Mensch, Papa, krieg dich wieder ein.» Hanna warf wütend die Essstäbchen auf ihren Teller. «Ich will nicht heiraten und bin auch nicht schwanger. Du wirst bei mir keine Zigaretten finden, Bier und Wein schmecken mir nicht, und Drogen machen einen schlechten Teint, auf den ich gut verzichten kann. Wenn du irgendein Problem hast, dann such dir einen Psychiater und nerv mich nicht.» Beim Aufstehen stieß sie heftig ihren Stuhl zurück.
    Toni starrte sie an. So einen Ausbruch hatte er an diesem Tisch noch nicht erlebt, erst recht nicht von seinem kleinen Mädchen.
    «Kann ich in mein Zimmer gehen? Ich muss noch lernen.» Hanna sah mich fragend an.
    «Ja, natürlich. Für mich ist das in Ordnung.» Ich warf Toni einen warnenden Blick zu. Er nickte nur und schenkte sich Wein

Weitere Kostenlose Bücher