Mein Leben in 80 B
Heuchler. Was ging nur in Männern vor, die ihre Frauen so schamlos anlogen? Ich war kurz davor, ihm alles, was ich wusste, ins Gesicht zu brüllen. Aber dank der einschlägigen Internet-Ratgeber war mir bewusst, dass ich für ein klärendes Gespräch einen geeigneten Moment abwarten musste. Und der war keineswegs am Kaffeetisch zwischen Tonis Heimkehr und der Zubereitung des Abendessens.
«Natürlich fehlst du mir.» Ich konnte auch lügen, ohne rot zu werden. «Und Tom würde sowieso am liebsten mit dir zu deinen Drehs fahren, als bei uns Mädchen zu Hause zu bleiben. Er will übrigens in der Schule gesehen haben, wie Hanna einen Jungen geküsst hat.» Schnell auf ein anderes Terrain wechseln, bevor mir noch übler wurde.
«Was?? Hanna ist doch viel zu jung für einen Freund!»
«Hanna ist fünfzehn. Andere Mädchen sind in dem Alter schon Mutter.»
Toni sah aus, als würde er gleich in Tränen ausbrechen. «Mal den Teufel nicht an die Wand. Hast du mit ihr …? Ich meine, hat sie dich …? Oder soll ich mal …?» Schön, dass er sich wenigstens um seine Kinder Gedanken machte.
«Keine Sorge, ich habe mehrfach mit ihr über Verhütung und Sex gesprochen. Sie war auch schon bei meiner Frauenärztin, um mit einer neutralen Person über all die Dinge sprechen zu können, die ihr mir gegenüber vielleicht peinlich sind. Sie weiß, wie man Kondome benutzt, und sie kann selbst einen Termin bei der Gynäkologin machen, wenn sie die Pille verschrieben haben möchte. Haben wir alles ausführlich beredet.» Ich zog meine Hand unter der von Toni hervor, um meinen Becher in den Geschirrspüler zu räumen.
Er saß da und starrte nachdenklich in seinen Kaffee. Geschah ihm recht, dass er sich Sorgen um unsere Tochter machte. Wahrscheinlich war die Praktikantin, mit der er noch vor wenigen Stunden ein Hotelzimmer geteilt hatte, nur wenige Jahre älter als sie. Vielleicht brachte ihn das ja zur Besinnung.
Ich schüttete den Rest des Kaffees in den Ausguss, bevor ich meinen Becher in das Drahtgestell der Spülmaschine stellte. Am allerliebsten wäre ich einfach aus dem Haus spaziert, zum Bahnhof gegangen und zu Elissa nach Sylt gefahren. Bei Champagner und gutem Essen würden sich sicher alle Probleme in Luft auflösen. Aber vermutlich würde ich auf der Insel auf Oke treffen. Pest gegen Cholera – mein Leben war ein Desaster.
«Ilse?» Ich war so in Gedanken versunken, dass ich Toni erst hörte, als er wiederholt meinen Namen rief.
«Ja? Entschuldige, ich muss ständig an eine Nachricht von Elissa denken. Sie hat mir geschrieben, dass eine ehemalige Klassenkameradin sich nach fast zwanzig Jahren Ehe von ihrem Mann scheiden lässt, weil der sie mit seiner wesentlich jüngeren Sekretärin betrogen hat.»
Ein zaghafter Versuch, Toni aus der Reserve zu locken. War auch so eine Idee aus einem Internetchat. Eine ebenfalls betrogene Ehefrau hatte berichtet, sie habe ihren Mann mit einer erfundenen Geschichte derart aufs Glatteis gelockt, dass er sich verquatschte. Für dieses Paar führte das folgende Gespräch zu einer neuen Qualität in ihrer Beziehung.
«Unsinn, das gibt’s doch nur in schlechten Filmen.» Toni grinste, als hielte er diese Geschichte tatsächlich für einen Drehbuchstoff.
Bei ihm funktionierte diese subtile Nummer leider gar nicht. Dieser Blödmann. Langsam fragte ich mich, für wie bescheuert er mich eigentlich hielt. Sekretärin oder Praktikantin – so groß war der Unterschied nun ja wirklich nicht. Da musste ich wohl doch den entscheidenden Moment abwarten und ihn mit den Tatsachen konfrontieren.
«Musst du noch mal ins Büro?»
«Nein, heute nicht mehr. Aber ich wollte von hier aus noch ein paar Mails schreiben und telefonieren», erklärte er. «Sollen wir nachher essen gehen oder etwas bestellen?»
«Ich habe keine Ahnung, wann Hanna nach Hause kommt. Sie hat sich noch nicht gemeldet.»
«Sie ist doch nicht bei diesem Jungen, von dem wir überhaupt nichts wissen? Oder weißt du, wer das ist und was seine Eltern machen?»
Meiner Meinung nach war die Aufregung um das Liebesleben unserer Tochter ein bisschen übertrieben.
«Toni, bisher habe ich nur von Tom die Information, dass er Hanna beim Küssen auf dem Schulhof beobachtet hat. Noch ist gar nicht klar, wie viel an dieser Geschichte wahr ist. Lass mich in Ruhe mit Hanna reden. Wenn du sie darauf ansprichst, macht sie sofort zu, und dann erfahren wir gar nichts.»
«Was soll das denn heißen? Glaubst du, ich habe keinen guten Draht zu
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