Mein Leben mit Wagner (German Edition)
um den Untergang der Götter aufzuhalten. Brünnhilde aber weigert sich, Siegfrieds Liebespfand zu opfern. Siegfried erscheint als Gunther, entreißt Brünnhilde den Ring und erklärt sie zur Braut des Gibichung.
2. Akt: Alberich beschwört Hagen im Traum, ihr gemeinsames Ziel nicht aus den Augen zu verlieren: den Besitz des Rings und die Herrschaft über die Welt nach dem Untergang der Götter («Schläfst du, Hagen, mein Sohn?»). Siegfried ist Brünnhilde und Gunther vorausgeeilt, Hagen und seine Mannen blasen zur Doppelhochzeit («Hoiho! Hoiho!»). Als Brünnhilde an Siegfrieds Hand den Ring entdeckt, durchschaut sie den Betrug und klagt Siegfried des Verrats an. Dieser beschwört seine Unschuld. Brünnhilde sinnt auf Rache, und Hagen entlockt ihr, dass Siegfried am Rücken verwundbar sei. Gemeinsam mit Gunther planen sie Siegfrieds Tod.
Der «Jahrhundert-Ring»: Patrice Chéreaus Inszenierung des «Rings» für die Bayreuther Festspiele 1976, «Siegfried», dritter Akt (links Manfred Jung als Siegfried, rechts Gwyneth Jones als Brünnhilde, 1979)
3. Akt: Auf der Jagd begegnet Siegfried den Rheintöchtern, die ihm sein Ende weissagen, wenn er ihnen den Ring nicht überlässt. Doch Siegfried bleibt stur. Hagen reicht ihm einen Gegentrank, der ihm sein Gedächtnis zurückbringt. Erst jetzt erinnert sich Siegfried wieder: an Mime, den Zwerg, an seinen Kampf mit Fafner – und an Brünnhilde, seine Braut. Damit gesteht er seine Schuld ein, den Verrat, und Hagen tötet ihn. In einem Trauermarsch wird Siegfrieds Leiche zur Halle der Gibichungen getragen. Hagen brüstet sich vor Gutrune mit dem Mord an Siegfried und erschlägt Gunther im Streit um den Ring. Inzwischen hat Brünnhilde von den Rheintöchtern alles erfahren und lässt einen Scheiterhaufen errichten («Starke Scheite /schichtet mir dort»). Sie streift den Ring von der Hand des toten Siegfried und reitet in die Flammen. Der Rhein tritt über die Ufer und lässt die Gibichungenhalle einstürzen, die Rheintöchter frohlocken über den wiedergewonnenen Ring und reißen Hagen mit sich in die Tiefe. Am Firmament brennt Walhall – das Ende der Götter ist nah, ist da.
Wie ist dieser dritte und letzte Tag zu deuten? Ich denke, wir sollten uns davor hüten, hier allzu weit auszuholen (wenigstens wir Musiker). Wagner wollte seine gesamte Weltanschauung in den «Ring» hineinlegen, das wissen wir, und das erklärt sich sicher aus der Entstehungsgeschichte im Umfeld von 1848. Aber ist ihm das über drei Jahrzehnte hinweg auch gelungen? Steht das Politisch-Philosophische wirklich so im Vordergrund, wie er es wollte und wir es heute gern leichtfertig behaupten? Ich habe da meine Zweifel. Weil Musik an sich nichts Politisches transportiert, weil es-Moll immer es-Moll bleibt und eine simple Botschaft wie «Geld regiert die Welt» nicht notgedrungen etwas mit Wagners hochgradig verfeinertem künstlerischen Sensorium zu tun hat. Ich glaube auch nicht, dass er dieses Sensorium gezielt eingesetzt hat, um seine Weltanschauung durchzusetzen. Wagner war ein genialer Kalkulator und Parfümeur – ein politischer Demagoge war er nicht. Außerdem haben sich im Laufe seines langen «Ring»-Lebens die Verhältnisse radikal umgekehrt, das darf man nicht außer Acht lassen. Am Anfang wollte Wagner die Welt verändern und durch Kunst zur Revolution aufrufen; am Ende verändert er die Kunst, das ist seine Revolution.
Für den Schluss der «Götterdämmerung» existierten mehrere Entwürfe. Ein erster sozusagen à la Feuerbach mit der großen Liebes-Apotheose für Brünnhilde, ein zweiter, mehr buddhistisch-pessimistischer, der die Hingabe des Menschen an die Zerstörung fordert – und ein dritter, der Kompromiss aus beidem, den Wagner dann verwirklichte. Die Frage ist nur: Kriegen wir alle miteinander die Kurve noch oder kriegen wir sie nicht? In der «Götterdämmerung» gibt es keine Figur, die nicht ihren Teil zur Katastrophe beigetragen hätte: Brünnhilde mit ihrer Rache an Siegfried, Wotan und die Götter durch ihr Verschwinden, Alberich durch seinen Sohn Hagen, der sich als tumber Schlächter entpuppt, und selbst Gutrune leidet auf maligne Weise an Selbstüberschätzung. Gleichwohl glaubt Wagner nicht an die finale Auslöschung, denn die hätte er anders komponiert. In der altnordischen Ragnarök-Sage, die er als Quelle mitreflektiert, schafft der Weltenbrand eine Art Ausgleich zwischen Chaos und Ordnung, so dass alles neu entstehen kann. Wagner ist leider nicht so
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