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Mein Leben mit Wagner (German Edition)

Mein Leben mit Wagner (German Edition)

Titel: Mein Leben mit Wagner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Thielemann
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stirbt den «Liebestod». Die Frauen bei Richard Wagner sind ein aufschlussreiches Thema. Isolde ist eine Bombenrolle (wie Ortrud, Brünnhilde oder Kundry auch), keine Frage, und musikalisch steht sie dem Tristan in nichts nach. Von ihrer Psychologie, ihrem dramatischen Profil her aber scheinen mir die Frauen oft flächiger, weniger konturiert und vertieft zu sein, auch weiter weg. Eine hoch interessante Schere. Wagners Blick ist ein männlicher, notgedrungen: Die Frau mag für ihn das «Weib der Zukunft» sein, auf das er alle Hoffnung und Utopie projiziert – letztlich bleibt sie jedoch das unbekannte, rätselhafte Wesen, eine Art Heilige, sicherheitshalber.

    Lohengrin mit Schwan, Fresko von August von Heckel (1881) in Schloss Neuschwanstein
    Bei K URWENAL , Tristans Vertrautem, habe ich mich immer gefragt, warum auch er am Schluss sterben muss: Weil ihn nach Tristans Tod nichts mehr hält? Weil Tristan nicht an seiner Wunde stirbt, sondern an der Nicht-Erfüllung seiner Liebe? Dann wäre er für Freund Kurwenal schon lange nicht mehr erreichbar. «Tot denn alles! /Alles tot?», klagt K ÖNIG M ARKE , der Betrogene, und das meint auch: Die Welt teilt sich – in diejenigen, die bereit sind, für ihre Leidenschaft alles zu geben, und diejenigen, die ihren gesellschaftlichen Verabredungen treu bleiben, ihren Königreichen und Kriegen. Wagner selbst, der im «Tristan» seine Liaison mit der Fabrikantengattin Mathilde Wesendonck verarbeitete, schlug sich weder ganz auf die eine noch ganz auf die andere Seite. Aber das musste er als Künstler auch nicht.
    H ANS S ACHS in den «Meistersingern von Nürnberg» ist für mich eine der tollsten Rollen überhaupt. Handwerker und Dichter in einer Person, das perfekte Alter Ego Wagners. Als Bass-Bariton weist schon sein Stimmfach «der Deutschen liebsten Schuster» (wie der «Spiegel» einst hämisch bemerkte) als differenzierte Persönlichkeit aus: Er kann ironisch und selbstironisch sein, er denkt so klug wie strategisch und bewegt außerdem lebendige Gefühle in seinem Herzen. Natürlich spielt Sachs mit dem Gedanken, ob er als Witwer nicht selbst für die Goldschmiedemeisterstochter E VA (Sopran) in Frage käme, sonst wäre sein Verzicht auf sie weder bühnentauglich noch interessant. Dabei ist dieser Verzicht kein tumbes Sich-ins-Unvermeidliche-Schicken. «Lieb’ Evchen! Machst mir blauen Dunst?», lautet seine Antwort auf Evas berühmtes «Ei was, zu alt! Hier gilt’s der Kunst: /wer sie versteht, der werb’ um mich». Und die Partitur unterstreicht diesen kleinen Tagtraum mit Attributen wie «dolcissimo» und «ausdrucksvoll». Ganz abwegig ist er also nicht. Hans Sachs aber entsagt – und bleibt trotzdem ein glücklicher Mensch. Das macht ihn groß. Im Vergleich zu ihm wirkt WALTHER VON STOLZING , der mit einem schönen, aber etwas einfältigen Preislied Evas Hand ersingt und erringt, wie ein typischer Tenor.
    Der «Ring des Nibelungen» wird von einem komplizierten Beziehungsgeflecht getragen, das gern in Zweierkonstellationen gipfelt: Da sind die Göttergatten W OTAN und F RICKA , die wenig Göttliches miteinander auszufechten haben, wie das bei alten Ehepaaren eben so ist, wenn er Bariton singt und sie Mezzosopran oder Alt. Da sind die Geschwisterpaare S IEGMUND / S IEGLINDE (Tenor /Sopran) und G UNTHER / G UTRUNE (Bass /Sopran): göttlich und (unwissentlich?) inzestuös die einen, brutal machtgeil und darin höchst menschlich die anderen. Da sind Väter und Kinder: Wotan mit seiner gegen Fricka und ihn rebellierenden «Wunschmaid» B RÜNNHILDE sowie A LBERICH , der Zwerg, mit Sohn H AGEN (für hohen Bass beziehungsweise tiefen Bass gesetzt). Alberich, wie gesagt, überlebt das «Götterdämmerungs»-Geschehen; doch was wird aus Hagen? Die R HEINTÖCHTER , heißt es in der finalen Regieanweisung fast ein bisschen mokant, «umschlingen mit ihren Armen seinen Nacken, und ziehen ihn so zurückschwimmend mit sich in die Tiefe». Vielleicht taucht er eines Tages wieder auf? Und last but not least ist da das Liebespaar, Brünnhilde und S IEGFRIED (Sieglindes und Siegmunds inzüchtiger Sohn): die Hochdramatische und der Heldentenor, die Walküre und der Weltenretter. Hoch verletzlich sind sie in der Emphase ihres Glücks. Er wird hinterrücks ermordet, sie gibt sich selbst den Tod. «Nur wer der Minne /Macht entsagt, /nur wer der Liebe /Lust verjagt, /nur der erzielt sich den Zauber /zum Reif zu zwingen das Gold», singen die Rheintöchter zu Beginn des

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