Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)
wenn du es akzeptierst, aber in letzter Zeit habe ich mehr und mehr das Gefühl, dass mir gar nichts anderes übrig bleibt. Immer wieder sage ich mir: » Ich werde nicht aufhören, ich werde nicht aufhören. « Und sei es nur, weil ich will, dass es so ist. Wenn alles andere scheitert, werde ich mich nur kraft meines Willens voranbewegen. Es muss noch Magick geben, irgendwo, irgendwie.
Früher war es so, dass eine gewisse Ungerechtigkeit über die Fläche des Ozeans tanzte, knisternd wie ein Kettenblitz. Jetzt ist die Verzweiflung subtiler, sie versinkt lautlos in den Wellen und kommt an dunklen, giftigen Orten zur Ruhe. Die Oberfläche wird fahl und dünstet ein krankes, graues, fettiges Gefühl aus, das dich irgendwann in den Wahnsinn treibt. Es ist ein endloser Kreislauf, der einen unerschöpflichen Vorrat von Frustration hervorbringt. Sein Herzweh hat die Farbe von Blei, und nichts auf der Welt kann es heilen.
Der Sommer bringt mich in Selbstmordstimmung. Er saugt alle Magick aus dem Leben, und selbst das Schlafen wird zu einer Übung in fruchtloser Brutalität. Ich kann nicht begreifen, was in den Seelen ist, die dieses Elend erwarten. Nichts Lohnendes kann die Hitze überleben. Die Vögel und die Bienen sind Vorboten der Hölle, und sie eröffnen eine Jahreszeit der Krankheit. Es gibt nichts in diesen Monaten, das zu mir spricht. Alles verschwört sich, um zu verhindern, dass ich je nach Hause komme.
Wenn Sie jeden Insassen der Reihe nach fragen würden, was er am Gefängnis am meisten hasst, wird Ihnen wahrscheinlich fast jeder Befragte eine andere Antwort geben. Manches gilt für alle – zum Beispiel, dass man nachts nicht hinausgehen und die Sterne sehen oder dass man nicht bei seiner Familie sein kann, aber darüber hinaus hat jeder hier sein ganz persönliches Lieblingsärgernis. Für mich sind es die Mücken und der Schlafentzug.
Hier im Varner ist es besser, aber Tucker war die Hölle, was Mücken angeht. Tucker war zu allen Seiten von Feldern umgeben, und dauernd wächst irgendetwas, solange es nur warm genug ist. Das ganze Land ist eine einzige, riesige Moskitobrutstätte. Wenn Sie glauben, Sie wüssten, wie ein Schwarm Mücken aussieht, weil Sie mal gezeltet oder an einem Sommerabend im Garten gesessen haben, dann irren Sie sich sehr. Ich habe ganze Wände unter Mücken verschwinden sehen wie unter einer Wolldecke. Bei jedem Schritt, den man tut, steigt eine ganze Wolke davon auf.
Mehr als einmal habe ich buchstäblich geweint vor Frustration, weil die Mücken eine solche Qual waren. Meine Hände sind so oft gestochen worden, dass sie elendig geschwollen waren. Die Haut auf den Knöcheln war so rot und gespannt, dass meine Finger aussahen wie Würste. Man muss ständig in Bewegung bleiben, denn wenn man stillsteht, landen sie überall. Jedes Jahr sehen die Wände von den Blutflecken zerklatschter Mücken aus wie abstrakte Gemälde. Du findest keine Ruhe, denn sie sirren in deinen Ohren, stechen dich in Lippen und Augenlider und treiben dich an den Rand des Nervenzusammenbruchs. Das geht den ganzen Sommer so, und es wird noch schlimmer, wenn die Mücken herausfinden, dass sie in den Toiletten der leeren Zellen brüten können.
Wenn du auf deiner Pritsche liegst und versuchst, das bisschen Schlaf zu bekommen, das überhaupt zur Verfügung steht, gibt es nichts Lästigeres als Mücken, die in deinen Ohren sirren und dich ins Gesicht stechen. Die Mückenplage im Verein mit der erstickenden Hitze ist bald mehr, als du ertragen kannst – aber du hast keine Wahl. Du kannst entweder versuchen, voll bekleidet zu schlafen, mit Socken an den Händen und verhülltem Gesicht, aber dann wird die Hitze noch schlimmer, oder du ziehst dich aus, damit du es kühler hast, aber dann fressen dich die Mücken.
Ich habe erlebt, dass der ganze Block voll Rauch war, weil Leute Papier verbrannten, um die Mücken auszuräuchern. Es funktioniert nicht. Ich habe auch einen Gentleman gesehen, der es nicht mehr aushalten konnte und deshalb Rache nehmen wollte. Er fing Mücken in einem kleinen Plastikbecher, riss ihnen die Flügel ab und urinierte auf sie. Nach dem Fluchen und dem irrsinnigen Gelächter zu urteilen, das dieses Unternehmen begleitete, würde ich sagen, es verschaffte ihm große Genugtuung.
Heute ist ein Vogel auf meinem schmuddeligen Fenstersims gelandet. Das Fenster selbst ist nur so breit, wie der Vogel hoch war. Wie versteinert hockte er da und starrte mich an, mehr als eine Stunde lang. Ich stieg auf
Weitere Kostenlose Bücher