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Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)

Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)

Titel: Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damien Echols
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nach Hause.
    Wenn ich Angst hatte, allein zurückzubleiben, erwies sie sich bald als unbegründet. Täglich kamen neue Patienten herein, und bald war das ganze Haus voll. Ich teilte mein Zimmer mit einem interessanten jungen Soziopathen, den man hergebracht hatte, nachdem er bei seinem neuen Hobby ertappt worden war: Er masturbierte in eine Spritze und injizierte Hunden das Resultat. Die ganze Station war eine Parade von bizarren Charakteren.
    Jeden Morgen stellten wir uns in einer Reihe auf und schlenderten hinunter in die Küche. Dort bekamen wir ein schmackhaftes Frühstück aus Brötchen mit Sauce, Orangensaft, Blaubeer-Muffins, Kartoffelpuffern, Rührei, Toast, Würstchen und Zucker-Cornflakes. Die Irren zählen keine Kohlenhydrate. Das Essen war köstlich, und ich genoss jede Mahlzeit. Die Tischgespräche waren niemals langweilig und drehten sich um Themen wie die Frage, wer wessen Unterhosen geklaut habe und ob Quasimodo jemals ein Sumo-Ringer gewesen sei.
    Nach dem Frühstück gingen wir (theoretisch) im Gänsemarsch zurück in unseren Flügel und hatten die erste von vier täglichen Gruppentherapiesitzungen. In dieser Sitzung musste man sich sein Ziel für den Tag setzen, zum Beispiel: » Heute will ich die Regeln lernen « oder » Heute will ich mit meinem Zorn konstruktiver umgehen als gestern «. Alle waren dabei gereizt, denn es ist schwer, sich jeden Tag ein neues Ziel auszudenken, und man durfte nicht zweimal dasselbe nehmen. Die letzte Gruppensitzung war unmittelbar vor dem Schlafengehen. Da musste man sagen, ob man sein Ziel erreicht hatte oder nicht, und wenn nicht, warum nicht.
    Dann kam der wöchentliche Termin bei der Psychiaterin. Wir saßen auf den Sofas und zappelten nervös, während sie einen nach dem andern zu sich hereinrief, um mit ihm zu sprechen. Sie hatte ein kleines, dunkles, behagliches Zimmer voller Bücher, und sie war dafür zuständig, eine Diagnose zu stellen und zu entscheiden, welche Medikamente man bekam. Meine Diagnose lautete » Depressionen « . Ach was, echt? Mein Leben war eine Hölle ohne Anzeichen von Besserung, mein Stiefvater bekam die Höchstnote auf der Arschlochskala, und ich hatte zwei oder drei Wochen im Knast gesessen und begriff immer noch nicht, warum. Ich wusste nicht, wo meine Liebste festgehalten wurde, und jetzt war ich eingesperrt in einem Gebäude mit Soziopathen, Schizophrenen und einem Sortiment von anderen Freaks. Da können Sie Ihren Arsch darauf verwetten, dass ich Depressionen hatte. Ich hätte es eher für problematisch gehalten, wenn ich keine gehabt hätte. Jedenfalls verschrieb sie mir Antidepressiva, die ich kurz danach auch bekam.
    Antidepressiva sind eine grässliche Erfindung. Ich merkte nur eins: Sie machten mich so müde, dass ich nicht mehr klar denken konnte. Ich sagte einer der Schwestern, dass da etwas nicht stimmte, weil es wehtat, wenn ich die Augen öffnete, und weil ich jedes Mal einschlief, wenn ich aufhörte, mich zu bewegen. Ich sollte mir keine Sorgen machen, hieß es da, das sei nur natürlich, und ich würde mich daran gewöhnen. Das ist nicht das, was man hören will, aber mit der Zeit gewöhnte ich mich tatsächlich daran, und einen Monat später merkte ich nicht mehr, ob ich etwas genommen hatte oder nicht.
    Nach dem Gespräch mit der Ärztin gingen wir in die Turnhalle zur Morgengymnastik. Dort gab es einen Hometrainer, einen Punching Bag, eine Rudermaschine und einen Stepper. Jeder trainierte eine Zeitlang reihum auf einem der Gerät. Es gab auch einen Kicker und einen Basketballring, an dem wir nach dem Mittagessen spielten.
    Ab und zu gingen wir in einen Werkraum und arbeiteten dort an individuellen Projekten. Ich machte zwei Keramik-Einhörner, die ich mit nach Hause nahm, als ich ging. Ich weiß nicht, was aus ihnen geworden ist, aber damals war ich stolz auf sie.
    Zum Lunch ging es zurück in die Küche, und dann kam wieder eine Gruppensitzung, die meistens mit dem Ausruf » So ein Blödsinn! « begrüßt wurde. Ich stimmte von ganzem Herzen zu, behielt meine Meinung aber für mich. Wenn wir diese Erniedrigung überstanden hatten, durften wir eine halbe Stunde schlafen.
    Abends gingen wir hinaus in einen großen, umzäunten Hof, spazierten herum und genossen die frische Luft. Wir unterhielten uns, spazierten herum oder ließen einen Tennisball hin und her springen. Vor dem Schlafengehen durften wir uns noch einen Snack aussuchen. Es gab Granola-Riegel, Schokomilch, Cracker mit Erdnussbutter oder ein Schälchen

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