Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)
Schreibtischschublade zu nehmen.
Ich sah praktisch, wie seine Barthaare zuckten, als er sagte: » Was kannst du mir hierüber erzählen? « Was er da in der Hand hielt, war Deannas kleines grünes Notizbuch. Ich wollte danach greifen, aber ich wusste, es hatte keinen Sinn. Ich beantwortete seine Frage nicht, weil auch das nichts bringen würde.
» Wo ist sie? « , fragte ich stattdessen. Er sagte, sie sei im Frauengewahrsam in einem Ort namens Helena. Er beobachtete mich aufmerksam, als er mir erzählte, sie habe in der Vergangenheit » psychische Probleme « gehabt, und ihre Eltern hielten es für das Beste, sie behandeln zu lassen. Bis morgen bleibe sie in Gewahrsam, und dann werde man sie in eine psychiatrische Klinik in Memphis überstellen. Das war mir neu. Ich wusste nichts von » psychischen Problemen « in der Vergangenheit. Vielleicht stimmte es auch gar nicht; ich sollte bald begreifen, dass nichts von dem, was er sagte, vertrauenswürdig war. Aber das wusste ich da noch nicht, und so saß ich da und sah Deanna im Irrenhaus. Alles, was mir dazu einfiel, war das Anthrax-Video zu » Madhouse « , in dem alle Zwangsjacken tragen.
Ich erfuhr, dass ich die kommende Woche im Gefängnis von Craighead County in Jonesboro verbringen würde, ungefähr eine Stunde weit nördlich von West Memphis, und dort würde jemand kommen und mit mir sprechen. Jerry Driver fuhr mich selbst dorthin. Alle dort trugen orangegelbe Overalls mit der Aufschrift » Craighead County « auf dem Rücken, und man schlief in einer Zelle. Es gab einen Tagesraum, wo die Insassen mit einem uralten, fettfleckigen, zerknitterten Kartenspiel Uno spielten. Die Zeit schien absolut stillzustehen. Es ergab überhaupt keinen Sin, dass ich dort war, wie ich bald feststellte. Jeder andere, der so erwischt worden wäre wie wir, hätte nichts Schlimmeres kassiert als eine ernste Verwarnung und vielleicht maximal ein Jahr Bewährung, und dann wäre er nach Hause geschickt worden. Deanna und ich waren im Gefängnis, weil Jerry Driver noch nicht mit uns fertig war.
Eines Tages im Laufe dieser Woche wurde ich in ein kleines Zimmer an der Rückseite des Gerichtsgebäudes gebracht. Ein Berg von einer Frau, die aussah, als ob sie sich mit einem Spachtel schminkte, sprach ungefähr eine Stunde lang mit mir, und dann kam ein Test, bei dem sie mir ein paar Lernkarten zeigte, bevor sie Jerry Driver mitteilte: » Wir haben ein Bett für ihn. « Ich wusste nicht, was das bedeuten sollte, bis man mir erklärte, dass auch ich innerhalb der nächsten paar Tage in eine psychiatrische Klinik gebracht werden würde. Plötzlich sah ich mich selbst in diesem » Madhouse « -Video.
Ich musste im Gefängnis bleiben, bis sie meinen Urlaub in der Klapsmühle arrangiert hatten. Ungefähr drei Tage musste ich auf den Abtransport warten. Ich ging unaufhörlich von einem Ende des Zellenblocks zum anderen. Jederzeit waren ungefähr zehn bis fünfzehn andere Typen anwesend, und später sollte ich herausfinden, dass es typische Knastbrüder waren. Ich sage » typisch « , weil ich im Laufe der Jahre Gelegenheit hatte, viele Leute hinter Gittern zu beobachten, und die meisten haben unglaublich viel miteinander gemeinsam. Habgier, Wut, Frustration, Geilheit, Hass und Neid – alles zusammen in einem Körper. Ich bin immer wieder zu demselben Schluss gekommen: Es ist kein Wunder, dass diese Typen da sind, wo sie sind.
Im Gefängnis hat man nicht viel zu tun, und deshalb dachte ich eines Tages, ich rufe zu Hause an und melde mich. Meine Mutter hatte von meinem Plan gewusst, und sie hatte mir sogar ein bisschen Geld gegeben. Wenn ich etwas brauchte, hatte sie gesagt, sollte ich anrufen. Sie war im Gericht gewesen, als Jerry Driver vor dem Richter dafür plädierte, dass er mich bis zum Gerichtstermin in Haft behalten dürfe, statt mich nach Hause gehen zu lassen, wie man es einem Ersttäter erlauben würde. Ich rief also meine Mutter an, um zu hören, ob sie vielleicht mehr wusste als ich. Mir stand ein ziemlicher Schock bevor. Es war eine dramatische Woche für alle gewesen. Mein Vater war wieder da.
Anscheinend war meine Mutter endlich zur Besinnung gekommen und hatte Jack hinausgeworfen. Nicht dass ihr viel anderes übrig geblieben wäre, nachdem meine Schwester ihm sexuelle Belästigung vorgeworfen hatte. Jemand vom Jugendamt kam, und sie teilten meiner Mutter mit, Jack dürfe unter keinen Umständen im Haus bleiben. Aus den Akten geht hervor, dass ermittelt wurde, aber mir ist nicht
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