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Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)

Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)

Titel: Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damien Echols
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Schlimmste. Er war so fett, dass er unter seinem eigenen Gewicht erstickte. Er wog mindestens 350 Pfund und hatte keinen Hals. Seine Nase war aufwärtsgewandt wie ein Schweinerüssel. Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, dass die äußere Erscheinung eines Menschen früher oder später dem ähnelt, was in seinem Herzen ist. Mich schaudert, wenn ich mir die wahre Natur dieses Kerls vorstelle. Aus irgendeinem Grund dachte ich an ihn immer nur als » Piggy Little « .
    Piggy Little war ein Arschloch der alten Schule. Man merkte ihm an, dass er in seinem Leben nie etwas zuwege gebracht hatte, und dafür wollte er Rache. Anscheinend hielt er es für seine ganz persönliche, gottgegebene Mission, mich auf jede erdenkliche Art zu drangsalieren und zu quälen. Ständig hatte er die Hände an mir – er schob und zog und stieß mich unaufhörlich herum.
    Nach zehn oder fünfzehn Minuten kam der Chief Inspector in das Büro und setzte sich an einen Schreibtisch. Er hieß Gary Gitchell, und ich hatte ihn schon zweimal auf dem Revier gesehen, aber noch nie etwas mit ihm zu tun gehabt. Gitchell war etwas intelligenter als seine Mitarbeiter, und höchstwahrscheinlich war er deshalb hier der Chef. Ein Geistesriese war er nicht, aber das brauchte er angesichts der übrigen Leute auch nicht zu sein.
    » Möchtest du mir etwas erzählen? « , fragte er.
    Ich starrte ihn ausdruckslos an und sagte nichts.
    » Du kannst mir genauso gut gleich alles sagen, denn dein Freund hat bereits gestanden. Das hier ist deine einzige Chance, dafür zu sorgen, dass nicht die ganze Schuld bei dir landet. « Irgendwie hatte ich in diesem Gespräch den Faden verloren, oder war mir etwas entgangen? Mein Freund? Gestanden?
    » Von wem reden Sie? « , fragte ich, und jetzt war er es, der mich ausdruckslos anstarrte. Aber ich hatte keine Ahnung, wen er meinte. Jason konnte es nicht sein.
    Er machte auf die gleiche Tour weiter. » Du solltest uns irgendwas erzählen, denn dein Freund zeigt schon mit dem Finger auf dich. Wenn du nicht willst, dass er dir die ganze Sache in die Schuhe schiebt, ist das hier deine letzte Chance. « So ging es mindestens eine halbe Stunde lang; Gitchell redete, und Piggy funkelte mich an. Als ihm schließlich klar wurde, dass er nicht weiterkam, wurde ich in eine Zelle gesperrt, die nicht viel größer war als eine Telefonzelle. Dort musste ich die ganze Nacht bleiben, auf so beengtem Raum, dass ich nicht mal die Beine ausstrecken konnte. Ohne Wasser, ohne Toilette, ohne alles. Ab und zu kam Gitchell herein und stellte mir die gleichen Fragen noch einmal. Irgendwann kam er auch und erklärte: » Ein Officer sagt, du willst mich sprechen. « Ich hatte seit Stunden keinen Officer mehr gesehen. » Er lügt « , teilte ich ihm mit. So ging es immer weiter bis lange nach Sonnenaufgang.
    Wenn ich nicht befragt wurde, versuchte ich, das Rätsel zu lösen. Von wem konnte Gitchell reden? Was hatte ich nach Aussage dieses Freundes getan? Das alles ergab keinen Sinn.
    Ein Cop kam herein und wollte meine Kleider haben. So etwas hatte ich im ganzen Leben noch nicht erlebt, und ich hielt ihn für einen Perversen, nach seinem Aussehen zu urteilen. Ich bekam andere Sachen – eine alte, verschlissene Polizeiuniform, die mir mindestens zwölf Nummern zu groß war. Ich musste die Hose an der Taille zusammenraffen und verknoten, damit sie mir nicht herunterrutschte. Und so absolvierte ich meinen ersten Auftritt vor Gericht.
    Morgens um zehn Uhr am 4. Juni wurde ich zur Anklage vernommen. Jason, Jessie und ich wurden einzeln aufgerufen. Man führte mich durch einen schmalen Gang, der sich plötzlich zu einem Gerichtssaal erweiterte. Der Kontrast war verblüffend. Im Knast war es so dreckig und von Kakerlaken verseucht, dass man dort nichts anfassen wollte, weil man befürchten musste, sich etwas zu holen. Es war ein Ort, den die allgemeine Öffentlichkeit niemals zu Gesicht bekommen sollte. Ich hatte mich daran gewöhnt, und so war der blitzsaubere, gut beleuchtete Gerichtssaal ein Schock.
    Blinzelnd wie ein Tier, das man aus seinem Loch gezogen hat, sah ich mich um. Der Saal war rappelvoll, und die einzigen Gesichter, die ich erkannte, waren die meiner Eltern. Alle anderen schauten mich mit hasserfüllten Blicken an. Alle paar Sekunden sprang jemand auf und machte ein Foto von mir. Ich hatte seit sechsunddreißig Stunden nicht mehr geschlafen, und das ließ alles noch unwirklicher erscheinen.
    Der Richter – sein Name war Rainey – fing an zu

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