Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)
quasseln, und ich lehnte mich an die Wand, damit meine Knie nicht einknickten. Vier Cops hatten ständig die Hände an mir, als ob sie damit rechneten, dass ich mich jeden Augenblick losreißen und wegrennen würde. Ungefähr zehn Minuten später war ich des dreifachen Mordes angeklagt. Außer Panik, Angst und Erschöpfung in meinem Kopf hörte ich nichts. Als der Richter zu dem Teil der Show kam, wo er mich fragen musste, ob ich mich schuldig bekenne, sagte ich: » Nicht schuldig. « Das tat ich auf Anweisung eines mir zugewiesenen Rechtsanwalts, der mir ein paar Minuten vor dem Hearing aufgetragen hatte, was ich sagen sollte. Meine Stimme klang flach, dumpf und dünn. Ich spürte, wie mir von den billigen Plätzen eine Woge von Hass entgegenrollte. Die monotone Stimme des Richters klang seltsamerweise wie die eines Auktionators, als er anfing, von einem Geständnis zu reden. Ich war so erschöpft und geschockt, dass ich dem, was er sagte, kaum folgen konnte. Endlich dämmerte mir, dass er mich fragte, ob ich dieses Geständnis laut verlesen oder nur ins Protokoll übernommen haben wollte. Allmählich wurde ich ein bisschen wütend, und meine Stimme klang kräftiger, als ich antwortete: » Lesen Sie vor. « Ich merkte, dass ihm dieser Vorschlag überhaupt nicht gefiel. Tatsächlich schien ihm regelrecht unbehaglich zu sein, als er auf seinen Tisch schaute und Papiere umeinanderschob.
Schließlich verkündete er stotternd, das werde er nicht tun, sondern so lange unterbrechen, bis ich es gelesen hätte. In dieser Unterbrechung wurde ich in eine Besenkammer voller Putzmaterial geführt. Dort reichte man mir einen Stapel Papier, und zwei Cops standen da und starrten mich an. Mein Gehirn war so betäubt, dass ich nur ein Fünftel dessen, was ich da las, verstehen konnte, aber zumindest wusste ich jetzt, wer dieses Geständnis abgelegt hatte. Der Name, der darüberstand, war » Jessie Misskelley « . Mein erster Gedanke war: Hat er es wirklich getan?, aber dann dachte ich sofort: Wieso behauptet er, ich hätte es getan? Selbst in meinem Schockzustand konnte ich sehen, dass etwas mit diesem » Geständnis « nicht stimmte. Zum einen schien jede Zeile der vorigen zu widersprechen. Jeder Idiot konnte klar erkennen, dass er immer nur bestätigte, was die Polizisten sagten. Jetzt begriff ich, warum der Richter es nicht hatte verlesen lassen wollen. Mit einem durchschnittlichen IQ konnte man erkennen, dass es abgekartet war. Die ganze Sache stank.
Es wundert mich nicht besonders, dass die Cops in der Lage waren, Jessie dazu zu bringen, dass er sagte, was sie wollten. Wenn sie ihn auch nur annähernd so behandelt hatten wie mich, ist es erstaunlich, dass er keinen Nervenzusammenbruch erlitt. Sie benutzten seelische und körperliche Folter, um mich zu brechen. Gerade hatten sie noch gedroht, mich umzubringen, und im nächsten Moment taten sie, als wären sie meine besten Freunde auf der ganzen Welt und täten alles nur zu meinem eigenen Besten. Sie stießen mich gegen die Wand, spuckten mich an und ließen nicht einen Augenblick lang nach. Wenn einer müde wurde, kam ein anderer und nahm seinen Platz ein. Wenn ich nach den früheren Vernehmungen nach Hause gehen durfte, hatte ich Migränekopfschmerzen und zeitweiligen Brechreiz gehabt. Aber ich hatte es überstanden, weil ich mich, wenn man mich nur genügend bedrängte, wie ein Arschloch benehmen konnte, genau wie die Cops selbst. Ich will damit sagen: Wir waren halbe Kinder. Teenager. Und sie haben uns gefoltert. Wie sollte man von einem wie Jessie, der den Verstand eines Kindes hatte, erwarten, dass er das alles durchmachte und unversehrt daraus hervorging?
Mir wird schlecht, und es erfüllt mich mit Abscheu, wenn ich daran denke, wie die Öffentlichkeit diesen Leuten vertraut, die dafür verantwortlich sind, das Gesetz zu hüten, und gleichzeitig Jugendliche und geistig Zurückgebliebene foltern. Die Menschen in diesem Lande glauben, die Korrupten seien eine Ausnahme. Aber das sind sie nicht. Jeder, der ausführlicher mit ihnen zu tun hatte, weiß, sie sind die Regel. Ich bin oft gefragt worden, ob ich wütend auf Jessie bin, weil er mich beschuldigt hat. Die Antwort ist: Nein. Es ist nicht Jessies Schuld. Es ist die Schuld der schwachen und faulen » Staatsdiener « , die die Autorität missbrauchen, die ihnen von Menschen in die Hand gegegeben wurde, die ihnen vertrauen. Ich bin wütend auf Polizisten, die lieber einen zurückgebliebenen Jungen foltern, als einen
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